Sommerfest

Rolf beschrieb den festlichen Anlass mitten im Krieg unter dem Titel: "Ein Fest verklingt …"1:

"Der letzte Schritt verhallt im Gang, Ich bleibe allein zurück. Durch die Vorhänge blinzelt der Morgen. [...] Ich bin dem bewussten Abschied von allem Schönen nie aus dem Wege gegangen. Ich liebe das Schmerzlich-Unwiederbringliche, das Bewusstmachen des Einmaligen [...] und weiss auch, dass gerade dieses Bewusstmachen ein unverlierbares Besitzergreifen in sich schliesst.

Ich öffne noch einmal leise die Türe, [...] als würde noch einmal froher Gruss lebendig und erwartungsvolle Augen und das leise Staunen der 'Erstlinge' unter uns, denen frohe Gemeinsamkeit etwas ganz Seltenes bedeutet. [...] [Ich räume ab und die] Wandverkleidungen fallen auf den Flügel: [...] halbverwelkte Blumen, krumme Nägel, Zigarettenstummel [...] Ich würde mich nicht wundern, wenn der Flügel aus Protest hochklappen und mir die ganze Bescherung an den Kopf werfen würde. - Aber er ist eben auch schon ein älterer Herr, nicht mehr ganz aus der ersten Konkurrenz, und deshalb vertragen wir uns im Morgengrauen ganz gut. - Immerhin: die Tschaikowsky-Fantasie über den Monat Juni, die ein Kamerad aus dem Rüebliland [scherzhafte Bezeichnung für den Kanton Aargau] spielte, hat noch ganz annehmbar darauf geklungen, auch die kleinen Stücke von Chopin und Brahms. Und die Gedichte, die ich dazu sprach? Für mich selbst ist es immer wieder erstaunlich, dass die Menschheit aus diesem gigantischen Bogen, in dem unsere Liebe sich über Jahrtausende spannt, nicht mehr gelernt hat.

[...] Wir wollten ja trotz dem Wahnsinn um unsere Grenzen ein kleines Fest feiern. Und es ist ein frohes Ja zu unserem Lebensschicksal daraus geworden. [...] Nicht ein Einzelner hat diese festlichen Stunden beschworen - wir alle haben sie geformt, wir Kameraden! Wie hinreissend hat Lysis2 sein [Eröffnungsstück] hingelegt und mit welch gewinnender Selbstverständlichkeit hat er jede Nummer begleitet. Wie ausgezeichnet hat Theo Conférence gemacht und ist nach einem arbeitsreichen Berufstag von einer Verwandlung in die andere geschlüpft. Mit welch humoriger Grandezza und Intelligenz hat Bertie [Bertie Wolf] seine 'Vertauschungen des Geschlechts' gemacht. [...] Ich halte inne und für einen Augenblick erscheint vor dem heller werdenden Grau der Wände die bronzene Gestalt des javanischen Tänzers. Beinahe hundert Augenpaare folgen ihm im Banne einer fernen Welt, in der die Schönheit des männlichen Körpers sich dem Dienst einer lächelnden Gottheit weiht. Und welch fremdartiger Zauber steigt aus der 'Chinesischen Vision', die Gilles in einem kostbaren Kostüm tanzt, Spiel mit der Maske zur Faszination werden lässt. Wir denken an dieses Volk, das heute Ungeheures erduldet - und folgen dem leisen Tanz schweigend.

[...] Darf ich die vergessen, die unsichtbar so viel mitgeholfen haben bei der Arbeit, von der man nichts sieht und nur merkt, wenn sie nicht gemacht ist, Danilo und Felix, Ric und Mutz? Oder Jan, der ein halbes Vermögen in Blumen verwandelte und den Mitwirkenden in die Arme drückte? [...] War das nicht gerade das Bezwingende an dem schönen Abend, dass man die grosse Gemeinschaft spürte von Gebenden und Nehmenden, die jeder auf seine Art mitgeschaffen hatte!"

Anschliessend wurde erstmals ein Fest auch französisch kommentiert, weil viele "camerades de Lausanne, de Neuchâtel, du Jura bernois et même de Genève" anwesend waren:

"Une petite fête d'été …

Plus de 90 abonnés ont répondu à l'appel du groupe de Zurich samedi dernier et sont venus [...] pour célébrer avec nous ce que nous avions annoncé comme petite fête d'été. Ce fut une grande fête bien réussie. Bien réussie non seulement au point de vue organisation mais aussi et surtout à cause de l'esprit qui y régnait. [...]"

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Ernst Ostertag, August 2004

Weiterführende Links intern

Bertie Wolf

Quellenverweise
1

Karl Meier, Menschenrecht, Nr. 6/1942

Anmerkungen
2

Der Pianist Nico Kaufmann / Lysis war über Jahrzehnte mit dem späteren KREIS verbunden.