1942
Einführung
Das grosse Zusammentreffen von Abonnenten am Herbstfest 1942 war für Karl Meier / Rolf der geeignete Zeitpunkt, die neue Form seiner Organisation und Zeitschrift vorzustellen. Er tat es mit einer Ansprache, die von einem Kameraden verlesen wurde, denn als Schauspieler stand er zu dieser Stunde noch auf der Bühne.
Zur Begrüssung erwähnte er den "KREIS Zürich" ohne diese Bezeichnung explizit als neuen Namen bekannt zu geben.
Mit dem gewaltigen Geschehen ausserhalb der Landesgrenzen, "wo stündlich Hunderte ihr Leben lassen" eröffnete er seine Rede, um weiterzufahren, "dass der homoerotische Gedanke durch all diese verwirrten Jahre hindurch irgendwo in der Welt bestehen bleibe - dazu haben wir uns ja zusammen getan".
Es sei wohl eine Vereinsform nötig, fuhr er fort, um den Behörden gegenüber Klarheit zu schaffen und Bewilligungen für Tanzabende einzuholen, "Vereinsmeierei" jedoch sollte in keiner Weise aufkommen. Man wolle ein freier Zirkel von Gleichgesinnten sein. Das neue Gesetz habe zwar etwas Toleranz geschaffen, aber vom "Verstehen unserer Art" bleibe die Bevölkerung noch weit entfernt.
Auf diese Wirklichkeit gründete er den Kerngedanken:
"Bleiben wir also für die Mehrheit 'unsichtbar'! Je mehr wir uns isolieren, umso mehr können wir unserem Wesen, unserer Freude Ausdruck geben."
Isoliert zu sein, ausgeschlossen von so vielen Formen der spontanen Äusserung, von einem offenen Leben überhaupt, das war unsere Realität. Nur in der selbstgeschaffenen Welt eines isolierten Kreises von gleichfühlenden Kameraden konnten wir spontan und offen sein - wenigstens für einen Abend pro Woche und ein paar festliche Wochenende pro Jahr.
Dies solange die Mehrheit nicht neidisch wurde und zerstörte, was sie plötzlich als geheime Lasterhöhle und Schandmal empfand und entsprechend brandmarkte.
Ernst Ostertag, Oktober 2010