Jahresbericht 1956
Der Jahresversammlung vom 17. März 1957 legte Karl Meier / Rolf seinen Jahresbericht vor:
"Das 24. Jahr unserer Zeitschrift Der Kreis und des damit verbundenen Lesezirkels muss in vieler Beziehung als eines der erfolgreichsten seit Bestehen unserer Abonnenten-Vereinigung bezeichnet werden. Wir haben rund 200 Abonnenten Zuwachs bekommen. [...]
Den stärksten Zuwachs haben wir bei den Ausländischen - und hauptsächlich bei den Überseeischen [...]. Ohne Zweifel ein Verdienst unseres englischen Mitarbeiters Rudolf [Rudolf Burkhardt / Rudolf Jung], der das Englische beherrscht wie seine Muttersprache und durch die lebhafte Korrespondenz mit englischen und amerikanischen Schriftstellern eine sehr wesentliche Aufbauarbeit leistet.
Unseren französischen Redaktor wollen wir der grossen Anerkennung versichern für seine schon über 15 Jahre hinwegreichende selbstlose und nicht immer leichte Mitarbeit. Sie ist in den letzten Jahren besonders erschwert durch die ausschliesslich in französischer Sprache erscheinende Zeitschrift 'Arcadie', zu der - man muss leider sagen 'natürlicherweise' - frühere Mitarbeiter von uns abgesprungen sind. Trotzdem tauchen aus der Weltstadt an der Seine und auch aus dem Land selbst neue Abonnenten auf. [...]
Wir bedauern, dass unsere Kameraden im Welschland seit Jahren ziemlich schweigsam bleiben und ihre Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken in keiner Weise in ihrer Sprache formulieren.
Das Preisausschreiben für gute Kurzgeschichten in deutscher Sprache hat aber doch eine ganze Anzahl erfreuliche Manuskripte aus der Schreibmaschine gelockt und dabei - eine ebenfalls nicht alltägliche Erscheinung - drei davon aus der Schweiz. [...]"
"In Österreich war es der grosse Feldkircher Prozess, der die Zeitungen und Gemüter aller Schattierungen durch Monate in Atem hielt. Erfreulicherweise konnte der KREIS über die Grenzen hinweg helfen. [...]
Auch in Deutschland werden immer noch auf Grund eines veralteten Paragraphen Menschen ins Gefängnis gesteckt, die nichts anderes taten, als ihrer Natur zu gehorchen. Eine einheitliche Bewegung der verschiedenen Gruppen ist leider immer noch nicht zustande gekommen, der auch der KREIS gerne seinen übernationalen Beitrag leisten würde, soweit es in seinen Kräften steht.
[...] Von einem Gewinn durch die Herausgabe der Zeitschrift konnte in all den vielen Jahren bis heute noch nie gesprochen werden. Selbst das Sekretärhonorar, das die Schweizer Abonnenten zahlen, deckt noch nicht das bescheidene Honorar des verantwortlichen Herausgebers [...]. Nur durch die Veranstaltungen halten wir eigentlich die ganze Sache über Wasser. Und da gilt es auch wieder mit ganz besonderem Dank [...] all jenen Kameraden zu gedenken, die in uneigennütziger Weise dabei helfen, [...].
Noch ein Schmerzenskind liegt dem 'Kreis-Leiter' am Herzen: die Bibliothek. Wir haben über 600 Bände in deutscher, französischer und englischer Sprache, aber sie wird im Verhältnis zu ihrer Reichhaltigkeit wenig benutzt. [...]
Wir sind wiederum ein Jahr weiter gekommen und beginnen das 25. Jahr unserer Zeitschrift, die zwar in ihrer Entwicklung schon verschiedene Namen trug. [...] Das Werk mag manchem, vor allem den noch aussen stehenden, unwichtig erscheinen, aber es können Tage kommen, wo es entscheidend ist, dass eine Stimme für unsere Art da ist, [...] und die mitbaut an einer freieren und schöneren Welt."
Ernst Ostertag, Dezember 2004