Konkurrenz: Dänemark und Niederlande
... effizient geführte Organisationen
In den Niederlanden und in Dänemark wurden die Gesetze und Vorschriften bezüglich Schutzalter und Definition von Pornografie gelockert. Dies als Folge von gezielter Öffentlichkeitsarbeit der gut vernetzten nationalen Organisationen, die, erfolgreich von jüngeren Leuten übernommen und effizient geführt, den KREIS in jeder Beziehung überholt hatten.
Rasch änderten sich auch die Homosexuellen-Zeitschriften dieser Länder. Neue kamen hinzu und alle veröffentlichten Kurzgeschichten und Gedichte, die erotische Abenteuer höchst attraktiver Burschen in prickelnden Details schilderten. Anspruchsvolle Literatur war das nicht, aber ein beliebtes Lesevergnügen. Zudem füllte ein buntfarbiger Bildteil das halbe Heft oder mehr mit fast ausschliesslich nackten Männern und Jünglingen, die nichts verbargen.
In Amsterdam und Kopenhagen gab es keine Repression. Dafür vielfältige Szenen von Lokalen, Tanzkellern, "einschlägigen" Kinos und Hotels, von Bädern und Sauna-Landschaften, in denen man günstig ganze Nächte verbringen konnte. An Kiosken waren reich illustrierte Hefte für jeden Geschmack zu kaufen. Viele nahmen sie mit ins Reisegepäck oder lösten Abonnements in der Absicht, den restriktiven, "zurückgebliebenen" Schweizer Behörden eine Nase zu drehen oder sie mit Beschlagnahmungen so zu strapazieren, dass die prüden Verordnungen kaum mehr Sinn machen würden und schliesslich nicht mehr durchführbar wären. In vielen jungen Köpfen hatte die gesellschaftliche Revolution begonnen. Der repressive Staat sollte ins Lächerliche gezogen werden: An den Schandpfahl mit ihm!
Alle diese Bewegungen und Veränderungen wollte, konnte und durfte die Zeitschrift Der Kreis nicht mitmachen. Das war das unumstössliche Credo. Die gewachsene Struktur und die Gebundenheit an bestehende Gesetze verboten jene Öffnung, die den ehemaligen "Kindern" des KREIS in diesen beiden Ländern so offensichtlich gelungen und bestens bekommen war.
In erschreckender Weise gingen Abonnenten verloren. Bis 1967 waren das ein Viertel des Bestandes von 1959. Damit war die Schmerzgrenze erreicht. Eugen Laubacher / Charles Welti zog die Notbremse.
Ernst Ostertag, Januar 2006