1959

Mitarbeiter gesucht!

Bereits im Kreis 7/1959 setzte Karl Meier / Rolf einen Appell an die Zürcher Kameraden auf die innere Umschlagseite.1 Darin warb er um freiwillige Mitarbeiter, die ein Führungsteam bilden sollten zur Organisation und Gestaltung des gesamten Klubbetriebs. Er illustrierte das mit dem Hinweis auf die Basler Isola:

"Dort ist es unserem Ernest in kürzester Zeit gelungen, sich einen treuen, zuverlässigen Mitarbeiterstab [...] zu gewinnen. Sollte das nicht eigentlich etwas beschämend für Zürich sein?"

Nun, Ernest Raetz war Unternehmer mit Organisationstalent und Führungserfahrung. Unter seiner Leitung ein Programm auf die Beine zu stellen, das haben wir (Röbi Rapp und Ernst Ostertag) jedes Mal als Bereicherung erlebt. Nach kurzer Besprechung klappte alles für unsere Auftritte bis in jedes Detail. Das Isola-Team arbeitete perfekt.

Karl Meier / Rolf ging das ab. Man musste ihn erst näher kennen und sein Projekt schätzen lernen. Dann sprang der Funke über und man setzte sich "für Rolf" voll und ganz ein. Alle seine freiwilligen "treuen Mitarbeiter" erfüllten ihre Aufgaben in den diversen Bereichen stets einwandfrei, verhielten sich aber recht eifersüchtig gegenüber "Eindringlingen". So wurden Neue mit ihren Ideen oft gebremst, verbrauchten ihre Kräfte rasch und verschwanden wieder. Eine klar durchgreifende und ordnende Hand, das war dem Künstler Karl Meier nicht gegeben. Für Insider war es darum wenig verwunderlich zu lesen, wie "Rolf" im selben Appell weiterfuhr:

"Die Tatsache lässt sich nicht mehr leugnen, dass der gesamte Klubbetrieb jetzt nur noch auf vier Füssen ruht und das ist zu wenig."

Zu diesem Zeitpunkt gab es noch das KREIS-Lokal am Zürcher Neumarkt.

Im gleichen Aufruf wies Karl Meier darauf hin, dass ein Neuer sich des Büchertisches bei den Mittwochtreffs annehmen sollte und schliesslich

"das Wichtigste: wir benötigen dringend einen jüngeren, möglichst sprachenkundigen Schweizer Kameraden, der Freude hätte, langsam mich selbst zu entlasten."

Wer wollte in der damaligen Zeit von Hochkonjunktur, ausgetrocknetem Arbeitsmarkt und offenen Karrieremöglichkeiten auf vieles verzichten und in "Rolfs" gewaltige Fussstapfen einsteigen, um bald einmal allein weiterzugehen, vollamtlich und mit nur bescheidenstem und zudem ungesicherten Salär? Nur einer, der allem ein neues Gesicht geben und dieses zu prägen als seine persönliche Lebensaufgabe sehen und auch öffentlich dazu stehen wollte.

Visionäre und weitgehend unabhängige Idealisten sind selten - und wer sich für homosexuelle Belange einsetzt, kann kaum mit Anerkennung oder gar Unterstützung seitens der Allgemeinheit rechnen. Auch der Umgang mit Leuten aus den eigenen Reihen, das zeigte die Erfahrung, war alles andere als einfach und brauchte Kraft und Führungsgeschick.

Die Zukunft lag kaum mehr bei einem Einzelnen. Jetzt war ein Leitergremium gefragt, ein Kollektiv, das nach Innen wie Aussen geschlossen auftreten konnte. Doch Struktur und Tradition des KREIS standen einem solchen Gedanken entgegen - und: die ablehnende, repressive Haltung der Allgemeinheit machte für die allermeisten Kameraden ein Auftreten in der Öffentlichkeit völlig undenkbar.

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Ernst Ostertag, Januar 2006

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 7/1957, Umschlag