1957/1958
Berichterstattung
... Kommentare, Enthüllungen
"Kaum hat der Prozess gegen den Mörder Oboussiers in das Milieu jener Männer hineingeleuchtet, die zur Befriedigung ihrer anormalen Triebe Lustknaben missbrauchen, als schon wieder ein Homosexueller in Zürich tot aufgefunden wurde. Der an Weihnachten erschlagene Ernst Rusterholz sprach zu später Stunde auf der Strasse den zufällig vorbeigehenden jungen Italiener Rinaldi an, lud ihn zu einem Glas in seine Wohnung ein und forderte von ihm dann jene Schweinereien, die in diesen Kreisen die natürliche Liebe ersetzen.
Wird man nun endlich [...] der Gefährdung der Jugend durch die männliche Prostitution auf den Leib rücken? Oder begnügt man sich wieder wie beim Fall Oboussier mit einem harten Urteil gegen den Täter, ohne die Schuld des Getöteten in Rechnung zu stellen?"
So schrieb die Zeitung Vorwärts der (kommunistischen) Partei der Arbeit (PdA) am 3. Januar 1958. Nicht der Täter ist schuldig, sondern das Opfer.
Und in Leserbriefen der Zürcher Woche vom 23. Januar und 27. Februar 1958 standen Sätze wie:
"[...] Müsste der seelisch gefährdete, pädagogisch verpfuschte, amtlich gestempelte junge Walter Siegfried nun im Zuchthaus schmachten, [...] wenn nicht ein feiner älterer Herr [...] den um 40 Jahre jüngeren zum Übernachten in sein vornehmes Quartier eingeladen und in seine Lasterhöhle gelockt hätte?
Und der junge Rinaldi? [...] Er wehrte sich nicht nur gegen die Bestie im Menschen, die ihn überfiel, vor der Bestie wollte er sich retten, ihrer wollte er sich erwehren, sie treffen und vernichten, nicht den Menschen, die Person selbst. [...]
Eine Mutter"
"[...] Ich möchte jener Mutter danken für ihren mutigen Brief. [...]
Frau L.I."
Verschiedene Zeitungen berichteten über den Tathergang:
"Dem Mord musste ein heftiger Kampf vorausgegangen sein. Der Mörder hatte den Kehlkopf seines Opfers mit einem Wecker zertrümmert."
So die Zürcher Woche.1
Die NZZ berichtete:2
"[...] Rinaldi sei in Wut geraten und habe den nächstliegenden Gegenstand [...] ergriffen und heftig auf Rusterholz eingeschlagen. [...] Rinaldi will bei seiner Tat von keinem Tötungsgedanken geleitet worden sein. Sein Streben sei nur darauf gerichtet gewesen, Rusterholz zum Schweigen zu bringen.
Nach seinen Aussagen ist Rinaldi in der Provinz Bergamo geboren und aufgewachsen. [...] Mit seiner Familie habe er sich überworfen und pflege keinen Kontakt mehr mit ihr. 1950 oder 1951 kam er erstmals in die Schweiz. [...] Er ist [...] nie mit der Kriminal- oder Sittenpolizei in Berührung gekommen."
Ernst Ostertag, September 2005
Quellenverweise
- 1
Zürcher Woche, Nr. 1, 1958
- 2
Neue Zürcher Zeitung, 30. Dezember 1957, Abendausgabe