1963

Interview Regierung

... Polizeivorstand Albert Sieber

Der zweite Teil der Interview-Serie "Drittes Geschlecht" erschien in der Zürcher Woche vom 20. September:

"Der 'Mord am Katzensee' hat sich nach Verhaftung des Mörders Girard [...] als neuerliches Kapitalverbrechen im zürcherischen Männermilieu erwiesen. [...] Der Polizeivorstand, Dr. Albert Sieber, verneint die Frage, ob Zürich als besonderes Zentrum der Homosexuellen angesprochen werden könne. [...]"

Aus dem Interview mit Stadtrat Sieber:

"Frage: [...] Glauben Sie, dass die Tatsachen diesen Ruf eines ausgesprochenen Zentrums für Homosexuelle bestätigen?

Stadtrat Sieber: Nein. Zürich hat diesen Ruf zu Unrecht. [...] Zürich macht den Anschein, etwas ausserordentliche Zustände zu haben, weil es die grösste Schweizerstadt ist und weil es relativ nahe an den Grenzen Österreichs und Deutschlands liegt, die heute noch beide einfache homosexuelle Beziehungen unter Volljährigen, selbst wenn sie sich in der Privatsphäre abspielen, der Strafbarkeit unterstellen. [...] Da in beiden erwähnten Ländern Strafrechtsrevisionen im Gange sind, [...] ist in Zürich in Zukunft mit einer gewissen Besserung [...] zu rechnen. [...] Nach den bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen [...] ist die Homosexualität als Variante der sexuellen Funktion auf der ganzen Welt ungefähr gleichmässig verteilt. [...] Zürich dürfte kaum eine grössere Zahl [...] aufweisen [...].

Wie beurteilen Sie die Gefahr einer Verbreitung der Geschlechtskrankheiten durch das homosexuelle Milieu?

Stadtrat Sieber: Als sehr gross. Die Syphilis nimmt vor allem bei den Homosexuellen sehr stark zu. Bei unseren Aktionen stellten wir [...] fest, dass zehn Prozent der Homosexuellen an dieser schweren Form von Geschlechtskrankheiten litten. [...] Leider stehen der Polizei nur beschränkte Möglichkeiten zur Verfügung, Homosexuelle zur ärztlichen Kontrolle zu führen, weil die gesetzlichen Grundlagen weitgehend fehlen. [...]"

Nach oben

Ernst Ostertag, November 2005