1979

Einladung zur Polizei

Gesprächstaktik

Im Januar 1979 erging die "Einladung zu einer Besprechung" im Konferenzsaal der Stadtpolizei an "Heinrich Jung mit Begleitern". Eingeladen hatte das Polizeiamt der Stadt Zürich. Einziges Traktandum war "Abschaffung des HS-Registers". Die Besprechung war auf den 25. Januar, 14.00 festgelegt. Seitens der Polizei waren als Teilnehmer genannt: Polizeivorstand Stadtrat Frick, Kommandant der Stadtpolizei Dr. Bertschi, Chef der Kriminalpolizei Dr. Hubatka und drei weitere Beamte. Zu Heini Jungs Begleiterinnen und Begleitern zählten: Raphael Marx, ebenfalls von der HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich), Marcel Ulmann und Jürg Wehrli von der SOH (Schweizerische Organisation der Homophilen), Regula Schnurrenberger, Ursula Bauer und Susanne Meier von der HFG (Homosexuelle Frauengruppe Zürich).

Am 11. Januar trafen sich Heini Jung, Regula Schnurrenberger, Marcel Ulmann und Jürg Wehrli zu einer Sitzung, um das Vorgehen bei der Besprechung mit den Polizeispitzen zu klären und festzulegen. Das Resultat wurde schriftlich fixiert und am Tag danach an alle oben erwähnten Begleiterinnen und Begleiter verschickt.

Zuerst beurteilte man die Exponenten der Gegenseite und fand, dass der Politiker Frick "auf unsere Seite zu ziehen" sei, weil er auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen müsse und wir auch dazu gehören. Bertschi sei uns "unbekannt, eher konservativ, vertritt wahrscheinlich Interessen der Polizei". Hubatka "hat sich im Gespräch mit der HAZ für die Vernichtung des Registers ausgesprochen (vertraulich!), eventuell unsere stärkste Stütze". Die übrigen "unbekannte Grössen, wahrscheinlich Befürworter der Beibehaltung des Registers". Dann kamen zwei Formen der Forderungen zu Sprache:

"Maximal: Vernichten des Registers inkl. sämtlicher Kopien unter Überwachung durch den kantonalen Ombudsmann. Keine weiteren Eintragungen, keine Übertragungen auf andere Datenträger.

Minimal: Keine neuen Eintragungen. Nur noch rechtskräftig Verurteilte im Register."

Argumente/Begründungen für die Vernichtung wurden geordnet und aufgelistet und gipfelten im Hinweis, es rechtfertige sich auch nicht, einschlägig Straffällige, rechtskräftig Verurteilte in ein HS-Register einzutragen, weil solche Leute automatisch ins Strafregister kommen, wo sie jederzeit eruierbar seien.

Gegen Ende der Sitzung war auch klar: die Minimalforderung "wird völlig fallengelassen!" Denn das desavouiere die Gesprächstaktik, auf deren Hauptpunkte man sich geeinigt hatte:

"Wir müssen immer und immer wieder das Gleiche, dieselben Argumente bringen (stur!), wir müssen dort argumentieren, wo die Polizei nicht mehr gegenargumentieren kann (Menschenrechte, Eingriff in die Privatsphäre etc.). Keinesfalls dürfen wir uns [...] zu Eingeständnissen oder zur Einwilligung zu irgendeiner 'Lösung' hinreissen lassen. Notfalls müssen wir sagen, dass wir nochmals beraten müssen."

Eine zweite Sitzung wurde auf den 24. Januar angesetzt, wiederum im SOH-Büro an der Winterthurerstrasse.

"Aufgabe: Gesprächstaktik weiter ausbauen, weitere Argumente suchen."

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Ernst Ostertag, Mai 2007