1975-1977

Widerstand

... und wie Hindernisse umgangen werden

Im HAB-Info 1/1975 berichtete die Uni-Gruppe über diesen Fehlschlag. Und Anfang Februar veröffentlichte die HAB ein dreiseitiges Info-Blatt mit dem Titel:

"Schwule erhalten keinen Hörsaal für öffentliche Informationsveranstaltung! Studenten, Ihr sollt nichts über HOMOSEXUALITÄT erfahren!"

Darin orientierte die Infogruppe über weitere Ereignisse:

"Am 16. Januar 1975 hat der Studentenrat in seiner Sitzung einstimmig (!) eine Resolution zugunsten der HAB angenommen. Sie lautet folgendermassen: [...] Der Studentenrat und der Vorstand der Studentenschaft der Universität Bern nehmen mit äusserstem Befremden Kenntnis davon, wie der Rektor [...] sein Bewilligungsrecht für die Benützung von Hörsälen gehandhabt hat.

Die Uni-Gruppe der HAB ist eine bei der Studentenschaft eingetragene Vereinigung [...], die sich zum Ziel gesetzt hat, über Homosexualität zu informieren und der Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen entgegen zu treten. [...]

Der Studentenrat betrachtet diese Handhabung des Bewilligungsrechtes durch das Rektorat als weiteren Versuch der Bevormundung der Studenten, zudem als Diskriminierung der Homosexuellen beim Versuch, ihr Ghetto zu verlassen. Der Studentenrat solidarisiert sich im Sinne aufklärerischer und emanzipatorischer Ziele mit der HAB, begrüsst den Mut dieser Randgruppe unserer Gesellschaft und verurteilt die kleinbürgerlichen Vorurteile gegenüber studentischer Sexualität überhaupt."

Der Uni-Pressedienst erwähnte die Sitzung des Studentenrates und dessen Resolution mit keinem Wort, was zu neuen Protesten führte. Inzwischen hatte sich auch die Presse eingeschaltet. Heinz Däpp schrieb in der Berner National Zeitung bereits am 17. Januar 1975 unter dem Titel "Seltsame Auffassungen des Berner Universitätsrektors. Muss Homosexualität tabu sein?":1

"Homosexuelle sollen im Ghetto bleiben. Über Homosexualität darf in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden. Die Vorurteile gegenüber den Homosexuellen müssen gewahrt bleiben. [...] Die homosexuelle Arbeitsgruppe hätte an der ersten Veranstaltung den Film [...] von Rosa von Praunheim zeigen wollen. Aber eben: nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt."

Und am 23. Januar nahm auch der Zürcher Tages-Anzeiger Stellung:

"Über Homosexualität darf in Bern weiterhin nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen werden. [...] Diese Einschränkungen machten es den HAB praktisch unmöglich, das Ziel ihrer Veranstaltungen zu erreichen: 'Informationsabende über ein Thema, das direkt oder indirekt jedermann betrifft', ähnlich wie es die 'Homosexuellen Arbeitsgruppen Zürich' vor zwei Jahren mit einer Vortragsreihe über 'Sexualität und Gesellschaft' an der Uni Zürich getan hatten. Deshalb baten die HAB den Rektor um eine Wiedererwägung ihres Gesuches. [...] Doch Weidmann beharrte auf seiner Meinung. [...]"

Ein Bericht im HAZinfo vom Februar 1975 wies am Schluss des Rapports "Bevormundung durch den Rektor" auf ein glückliches Ende der Affäre:2

"Die Veranstaltung findet dennoch statt - wenn auch ausserhalb der Uni und auf einen einzigen Abend beschränkt. Die Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern zeigen am Donnerstag, den 13. Februar 1975, um 20.30 im 'Zähringer' den Film [...] von Praunheim - und diskutieren anschliessend mit den Zuschauern."

Man blieb nicht mehr stumm, wenn es um Diskriminierung ging, man wehrte sich in aller Öffentlichkeit, suchte Verbündete und reagierte kreativ auf Verbote. Zu dieser und weiteren Filmvorführungen und anderen Veranstaltungen der HAB schrieb Erasmus Walser:3

"Anderseits stellten im Februar 1975 Hugo Ramseyer mit dem 'Zähringer'-Refugium und 1977 die damalige Besitzerin des inzwischen verschwundenen Kino Eiger vollwertigen Ersatz für die Filmvorführungen der HAB."

Denn: Als die HAB 1977 beim Berner Schuldirektor Hans Hubacher (SVP) ein ähnliches Gesuch gestellt hatten, erlitten sie ebenfalls eine Abfuhr. Es ging um die Benützung von Schulraum für einen geplanten Filmzyklus. Bei der Besitzerin des Kinos Eiger fanden sie darauf offene Türen. Erasmus Walser:

"Im 'Zähringer' 1975 gewann man 150 Zuschauer für Praunheims Film und der Filmzyklus 1977 lief während der vorgesehenen Zeit ungestört. Mehrmals abgehaltene, völlig unumstrittene schwule Filmwochen im Kellerkino Bern seit 1980 zeigen, wie offen die Kulturszene seither geworden ist. In dieser Zeit lernten mindestens zwei Generationen HAB-Aktivisten den Aufbau kommunikativer Medienarbeit und sie lernten gemäss den Richtlinien des niederländischen Emanzipationsverbandes der Schwulen, COC, wie man wichtige öffentliche Meinungsmacher und Medien für eine bislang öffentlich tabuisierte Thematik gewinnt."

Nach oben

Ernst Ostertag, Oktober 2006

Quellenverweise
1

National Zeitung, 17. Januar 1975, Seite 7

2

HAZinfo, Nr. 10/1975

3

Erasmus Walser, Unentwegt emanzipatorisch, Vereinsgeschichte 20 Jahre HAB, 1992, Seite 3