1974-1980

Festlichkeiten

... in der "Katakombe" zusammen mit Heterosexuellen

Nichts kam an den Charme der HABS-Feste heran. Als Beispiele sei der "Tunten-Charivari" vom 13. März 1976 angeführt mit dem Motto "The Glamour Night of HABS' Satyricon", wie auch das vierte Geburtstags-Kostümfest vom 26. Juni 1976. Über solche Anlässe und ganz normale Disco-Abende ergaben sich während der vier Jahre von Anfang 1977 bis Ende 1980 auch die wohl intensivsten Begegnungen mit Heterosexuellen, welche - zumindest vor der Gründung der Aids-Hilfe 1985 - einer schwulen Organisation je gelungen sind.

Zum zweiten Geburtstag:1

"21. Juni 1974: Zwei Jahre HABS haben wir schon. Der Geburtstag wird in einer schwulen WG in Schönenbuch gefeiert. Das erste Tanz- und Kostümfest der HABS findet damit statt. [...]

Am 30. August 1974 mietet Roger2,7 ein Tram und die ganze HABS macht ein Fest im fahrenden Tram mit kaltem Buffet und Getränken."

Zu Recht stellte Stephan Miescher fest:

"Es ist viel leichter, an einem Disco-Abend andere Schwule kennen zu lernen, Zugang zur neuen Organisation zu erhalten, als an einer Vollversammlung."3

Das gilt in noch grösserem Masse für jedes Fest. Auf derselben Seite fuhr Miescher fort:

"Im November 1975 konnte die HABS einen Erfolg verzeichnen: Die staatliche Liegenschaftsverwaltung vermietete ihr ein Lokal im ehemaligen Volkshaus. Die Liegenschaftsverwaltung stellte aber Bedingungen auf: Von aussen dürfe nicht erkennbar sein, dass hier Schwule verkehren würden, und im Hof sei es Männern nicht gestattet, sich zu küssen. Der HABS-Protokollschreiber fügte lakonisch hinzu, für heterosexuelle Paare gelte diese Einschränkung natürlich nicht.4 Anscheinend fürchteten sich die staatlichen Bürokraten vor ihrem eigenen Mut [...].

Das Lokal im Volkshaus erhielt in Anlehnung an den Zürcher Club den Namen Zabi [Zabriskie Point]. Jeden Samstag von 20 bis 1 Uhr war das Zabi mit Diskothek geöffnet."

Der offensichtliche Erfolg - im Sektor Unterhaltung leichter zu gewinnen als mit Öffentlichkeitsarbeit - liess den Einsatz für schwulenpolitische Ziele nie ganz erlahmen. Das bewies der 1980 begonnene Einsatz für die Abschaffung aller Basler Homoregister. Doch vorerst gelang der HABS ein neuer Coup im Sektor Festivitäten:5

"Im Februar 1977 errichtete die HABS im ehemaligen Jazz-Keller 'Katakombe' am Totentanz8 ein schwules 'Kommunikationszentrum' mit Cafeteria, Informationsraum und Diskothek. Bereits das erste Fest liess ahnen, dass die neue 'Katakombe' eine Attraktion für die ganze Stadt bedeutete. Erstmals trafen sich in Basel Hetero- und Homosexuelle in einem von Schwulen geführten Lokal.

Mit der 'Katakombe' gelang der HABS der Ausbruch aus dem isolierten Milieu. Ihr Lokal galt bald als Ort, wo jeder, gleich ob schwul oder nicht, hingehen konnte. Samstag für Samstag fand sich dort ein buntgemischtes Publikum mit breitem Altersspektrum ein. [...]

Neben den wöchentlichen Disco-Abenden organisierte der (bezahlte) Clubleiter regelmässig Ausstellungen, während andere sich um Lesungen und Filmvorführungen kümmerten. In Ansätzen wurde versucht, eine schwule Kultur in der 'Katakombe' zu verwirklichen. Das Publikum trug dem nur bedingt Rechnung."

Auf Ende 1980 wurde der Mietvertrag aufgelöst und die HABS fand vorerst kein geeignetes Lokal mehr, weder für sich allein, noch - und erst recht nicht - als Ersatz für das Experiment "Katakombe". Dazu Stephan Miescher:6

"Die Idee, einen Ort für Schwule und Heterosexuelle einzurichten, war gescheitert. Schwule verloren ihr Interesse, sobald sie auch in ihrem eigenen Lokal eine Minderheit bildeten. Die Räumlichkeiten am Totentanz erwiesen sich für die HABS als zu gross. Trotzdem gilt es, die Leistung der 'Katakombe' hervorzuheben: Sie trug dazu bei, dass Schwule und ihre Organisation vermehrt für die heterosexuelle Öffentlichkeit in Basel sichtbar wurden. Ihre Ausstrahlung lässt sich in Mitgliederzahlen fassen: 1980 gehörten dem Verein HABS 120 Aktiv- und, als regelmässige Katakombenbesucher, 600 bis 700 Passivmitglieder an. Zahlen, die seither nicht mehr erreicht wurden."

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Ernst Ostertag, Oktober 2006

Quellenverweise
1

habs-info, Nr. 6/1982, Seite 15

2

Peter Thommen an Ernst Ostertag 21.10.2006

3

Kuno Trüeb und Stephan Miescher, Männergeschichten, Seite 111

4

Protokoll der Vollversammlung vom 27. November 1975

5

Kuno Trüeb und Stephan Miescher, Männergeschichten,, Seite 115

6

Kuno Trüeb und Stephan Miescher, Männergeschichten, Seite 118

Anmerkungen
7

Roger F. war Tramführer bei den Basler Verkehrsbetrieben BVB "und hatte das damals gemischlet"

8

Der Totentanz, wo sich die "Katakombe" im Keller des alten Hauses "Bockstecherhof" befand, ist ein kleiner Platz und Park am linken Rheinufer zwischen St. Johanns-Vorstadt und Blumenrain/Petersgraben