1974

Grundsatzerklärung

Ziele und Richtlinien

Am 16. Juni 1974 fand eine recht "turbulente" Sitzung von Vertretern aller HA-Gruppierungen statt. Es ging dabei um die Vorbereitung einer Dachorganisation HACH1, die man gründen wollte. Die Vertreter der HABS kehrten mit der Idee einer nötigen Grundsatzerklärung nach Basel zurück. Bereits an der Vollversammlung vom 11. Juli stellten sie diese vor und in derselben Versammlung wurde sie auch angenommen:

"Allgemeine Ziele und Richtlinien.

[...] Die Befreiung des Einzelnen von den gerade im Sexualbereich übermässigen Kollektivzwängen kann nur durch eine Änderung der Mentalität herbeigeführt werden. [...] Um diesen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen, braucht es:

  1. eine kritische Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Sexualnormen und gesellschaftlichen Strukturen und
  2. andauernde Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit.

[...] Der Kampf gegen die Unterdrückung der Homosexualität verlangt seitens der Homosexuellen neben Selbstbejahung und Beharrlichkeit auch folgendes: Dass sie ihre individuellen Probleme aus der Problematik unserer Gesellschaftsordnung heraus erkennen lernen. Dass sie sich zusammenschliessen und Solidaritätsgefühl entwickeln. [...]

Grundsatz-Thesen

  • Homosexualität ist [...] nichts Widernatürliches
  • Homosexualität ist [...] keine Krankheit und entzieht sich deshalb allen Heilverfahren
  • Homosexualität ist eine Triebrichtung [...], nicht das Ergebnis eines Willensakts oder einer Verführung
  • Homosexualität ist erst durch ihre gesellschaftliche Ächtung zum Problem geworden [...].

Die Verfemung der Homosexualität schlägt sich nieder

in einem äusseren Druck:

  • Homosexuelle werden vom Gesetz diskriminiert
  • werden nur unter dem Aspekt ihrer Sexualität beurteilt
  • werden nach Belieben als Asoziale, Verirrte, Verworfene
  • oder als Witzfiguren abgestempelt
  • werden in ihren menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten beschnitten

[...]

in einem inneren Druck:

  • Homosexuelle sind genötigt, den Weg zu ihrer Sexualität allein zu finden
  • müssen ihre Neigungen [...] verbergen
  • leiden vermehrt an Minderwertigkeitsgefühlen, Selbsthass und Neurosen
  • können ihr Triebleben nicht ins Sozialleben einbeziehen

[...]

Arbeit nach innen

Ziele   

  • Persönliche Emanzipation des Einzelnen [...]
  • Gegenseitiges Kennenlernen, ungezwungene Gespräche [...]
  • Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls, das dem Einzelnen Rückhalt und Hilfe bietet

Vorgehen

[...]

  • Betreiben eines Klublokals als Kontaktzentrum
  • Durchführen von Festen, Weekends, Ausflügen usw.
  • Diskussionsrunden [...], Selbsterfahrungsgruppen
  • Gedankenaustausch mit anderen homosexuellen Organisationen

Arbeit nach aussen

Ziele

  • Befreiung der Sexualität von der Ausschliesslichkeit der Familien- und Fortpflanzungsmoral
  • Gesellschaftliche Gleichberechtigung [...]
  • Überwindung der Unwissenheit, dank deren sich unhaltbare Ansichten und Vorurteile behaupten
  • Abschaffung diskriminierender Gesetze

Vorgehen

[...]

  • Aktivierung möglichst vieler Homosexueller, um mit mehr Gewicht an die Öffentlichkeit treten zu können

[...]

  • Organisation eines Beratungsdienstes, Zusammenarbeit mit schon bestehenden sozialen Institutionen
  • Kontakt mit Leuten, die [...] beruflich mit der Homosexualität in Berührung kommen: Juristen, Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Erzieher, [...] Geistliche u.a.
  • Aufzeigen der gesellschaftlichen Zusammenhänge der Unterdrückung der Sexualität [...]"

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Ernst Ostertag, Oktober 2006

Anmerkungen
1

übergeordnete gesamtschweizerische Verbindung aller HA-Gruppen