1972

Vorspiel

… zur Gründung

Die Situation eines jungen Schwulen in Basel beschrieb "Thomas":1

"In der Mitte der 60er-Jahre kam ich nach Basel. Ich wusste um meine Homosexualität. Doch Homosexualität damals - darüber herrschte Schweigen. Im Bewusstsein der Menschen, die mich erzogen hatten, der Menschen, mit denen ich befreundet war, schien sie nicht zu existieren. [...]

Dann kam 1968, der Aufbruch der Studenten, der Geist der Revolte, der Mut, Utopien zu fordern. [...] Wenn schon so viel von Unterdrückung und Emanzipation gesprochen wurde, [...] sollte das denn nicht auch die Homosexuellen betreffen? Wäre es nicht an der Zeit, sich als Schwuler der Situation, in der man sich befand, bewusst zu werden und ihre Änderung in die Hand zu nehmen? [...]

Die HAZ entstand. Die Stimmung, die uns beseelte, war unbeschreiblich. Endlich hatten wir aufgehört, unser Schicksal nur passiv zu erdulden. Wir fühlten uns als Pioniere… Woche für Woche reiste ich nun nach Zürich, nahm an den Sitzungen teil, besuchte den Club [Zabi]. Natürlich war es naheliegend, an die Gründung weiterer Gruppen zu denken. Aber wie sollte ich das in Basel bewerkstelligen? [...]

Doch dann trafen zwei glückliche Umstände zusammen. Zum ersten fanden sich im Zabi drei andere Basler, die auch eine Gruppe bilden wollten. Zum zweiten kam damals gerade der Film von Praunheim 'Nicht der Homosexuelle ist pervers…' in die Schweiz. Endlich war ein idealer Anknüpfungspunkt gefunden. Es war zwar nicht leicht, sich zu überwinden und von der Filmkommission der Studentenschaft die Aufführung des Films zu verlangen. Aber es klappte. [...] Für die im Anschluss an die Aufführung vorgesehene Diskussion hatten wir die Hilfe von einigen HAZ-Mitgliedern erbeten. Wir selbst fühlten uns noch nicht in der Lage, uns öffentlich zu exponieren. Die Aufführung selbst war ein Erfolg. Es kamen viele Leute. Man spürte, auch in Basel gab es Schwule, die nur auf einen Anstoss gewartet hatten, um endlich etwas zu tun. [...]"

Die Filmvorführung vom 21. Juni 1972 und die dadurch ausgelösten Diskussionen bis zur Gründung der HABS:2

"Mitte Juni liegen an der Uni und im 'White Horse'4 Flugblätter auf [...]. Am 21. Juni wird der Film im Hörsaal 2 gezeigt. Am Eingang werden Flugblätter verteilt, die zur Gründung einer Homosexuellen Arbeitsgruppe auch in Basel aufrufen. Unter Leitung von HAZ-Mitgliedern findet am Ende der Filmvorführung eine Diskussion statt. Ein grosser Teil des Publikums ist schwul. Es wird weniger über den Film diskutiert als darüber, wie man in Basel eine Gruppe organisieren könnte. Als die Uni geschlossen wird, verlegt man den Diskussionsort in den Rosshof. Dort wird die Gründung einer Parallelorganisation zur HAZ beschlossen. Es herrscht Revolutionsstimmung."

Ein anderer Zeuge:3

"Im Saal herrschte euphorische Stimmung. Ein Anwesender ist plötzlich aufgestanden und hat gefragt: 'Sagt einmal, gibt es in diesem Hörsaal auch Schwule? Ihr müsst alle einmal aufstrecken. - Da haben', so unser Gesprächspartner, 'einfach fast alle aufgestreckt. Da habe ich umhergeschaut und gedacht, Jessesgott, den hast du doch auch schon gesehen, und der ist schwul?! Ich bin im siebten Himmel!' "

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Ernst Ostertag, Oktober 2006

Quellenverweise
1

habs-info, Nr. 6/1982, Seite 6. Laut Angaben von Peter Thommen an Ernst Ostertag vom 21.10.2006 handelte es sich um Thomas Hänni.

2

habs-info, Nr. 6/1982, Seite 7 ff

3

Kuno Trüeb und Stephan Miescher, Männergeschichten, Seite 109

Anmerkungen
4

Bar an der Webergasse, einschlägiger Treffpunkt