1979

Steine im Weg

Behördliche Behinderung

Parallel zur Medienkonferenz über die Gründung der HALU (Homosexuelle Arbeitsgruppen Luzern) gab es Strasseninterviews mit Flugblättern. Das war ein Erfolg. Daher wollte man diese Form des öffentlichen Präsentierens und der gleichzeitigen Kommunikation mit interessierten oder fragenden Passanten gezielt ausbauen und vertiefen.

Die junge HALU startete ihre erste eigenständige Aktion. Sie benötigte dazu einen Stand in der Innenstadt als Sammelpunkt und Aushängeschild. Dort sollten Bücher und Zeitschriften zum Blättern und Lesen animieren und Flyer mit Informationen aufliegen. Die Flyer verteilen und den Stand für Anregungen zu Gesprächen benützen, das war der Plan. Man wollte über den neuen Verein und seine Zwecke informieren.

Bereits einen Monat zuvor, am 25. April 1979, hatte die HAB (Homosexuelle Arbeitsgruppen Bern) als verantwortliche Mitinitiantin der zukünftigen HALU um eine Bewilligung für dieses Vorhaben bei den Luzerner Behörden angeklopft, also beim städtischen Polizeidirektor Bruno Heutschy (parteilos, portiert und unterstützt vom LdU). In den Luzerner Neuste Nachrichten, LNN vom 14. Mai berichtete Rémy Markowitsch darüber unter dem Titel "Information über Homosexuelle verboten":

"[...] Man wollte über die in Luzern gegründete Arbeitsgruppe informieren. Der interessierten Bevölkerung werde ein Flugblatt abgegeben und am Stand würden Bücher und Zeitschriften der Homosexuellen-Bewegung aufgelegt.

Am 1. Mai antwortete der städtische Polizeidirektor [...] der HAB. Der Stadtrat habe das Gesuch um einen Informationsstand [...] abgelehnt. Gründe wurden keine angeführt.

Am selben Tag noch forderte die [...] HACH den Stadtrat in einem Schreiben auf, den Entscheid rückgängig zu machen: In verschiedenen Schweizer Städten hätten Strassenaktionen 'ohne behördliche Behinderung' stattgefunden, und sie betonten, mit dem Entscheid [...] werde das verfassungsmässig garantierte Recht jedes Bürgers - auch des homosexuellen - auf freie politische Meinungsäusserung verletzt.

Am 9. Mai erhielt die HACH den Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll des Stadtrates, der an seinem Entscheid festhielt. [...]"

Dieses Nein begründete der Stadtrat mit dem Entscheid des Bundesgerichts im Fall der HASG, als dieses das anderschume Obelix als "anstössig" einstufte und den St. Galler Regierungsrat schützte, der solche Schriften am öffentlichen Stand verboten hatte. Zudem habe die HACH ihre Flugblätter dem Stadtrat nicht zur Einsicht vorgelegt. Beide Begründungen liess die HACH nicht gelten, weil erstens der Bundesgerichtsentscheid keine Rechtsgrundlage für das Verbot einer Standaktion darstelle und weil es zweitens keine gesetzlich berechtigte Zensur für Flugblätter gebe. Der Bericht in der LNN fuhr fort:

"Die HACH zum Vorgehen der Luzerner Behörde: 'Der Stadtrat wollte die Öffentlichkeitsaktion einer nicht genehmen Minderheit verhindern.' Darum habe die HACH beim Regierungsrat eine Verwaltungsbeschwerde eingereicht. Trotz des Verbotes [...] versuchten die Mitglieder der Berner und anderer Arbeitsgruppen am 12. Mai die Bevölkerung über Flugblätter zu informieren. [...]".

Was sie am Tag der Gründungsversammlung und Medienkonferenz (12. Mai 1979) auch taten.

Ähnlich berichteten auch andere Zeitungen in Luzern und den umliegenden Kantonen. Ein Jahr später gab Moël Volken Auskunft in der LNN vom 2. Juni 1980 unter dem Titel "Homosexuelle Arbeitsgruppen Luzern ein Jahr alt, Homosexuellentreff im 'Rägeboge'". Aus dem Artikel von Franz Egle:

" 'Jeder Mensch soll ohne Furcht vor Nachteilen gleich welcher Art jeweils die sexuellen Partner und Praktiken wählen können, die den Bedürfnissen und Wünschen der Beteiligten gerecht werden.' So steht es in der Grundsatzerklärung der HALU. 'Dass wir heute von diesem Zustand noch weit entfernt sind, zeigt sich an der anhaltenden Diskriminierung der Homosexuellen in fast allen Lebensbereichen', sagte HALU-Vorstandsmitglied Moël Volken den LNN in einem Gespräch. Dies hätten die HALU-Mitglieder auch zu spüren bekommen, als ihnen vor einem Jahr von Seiten der Behörden untersagt worden war, mit einem Informationsstand auf der Strasse über das Problem Homosexualität zu orientieren. 'Die Kaltschnäuzigkeit, mit der wir von der Stadt und insbesondere von Stadtrat Bruno Heutschy behandelt wurden, ist zutiefst erschreckend. Dies ist die einzige grosse Enttäuschung, die wir im vergangenen Jahr erlebten.' "

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Ernst Ostertag, Juni 2007

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Bis vor Bundesgericht