1979-90er

Bis vor Bundesgericht

Abgeblitzt mit Publicity

Bis vor Bundesgericht ging die HASG und erzwang einen Entscheid, der im März 1979 negativ gefällt wurde. Es ging um den Strassenverkauf von anderschume Obelix, dem ersten anderschume der HACH (Dachverband der Homosexuellen Arbeitsgruppen Schweiz). Das St. Galler Tagblatt vom 22. März 1979 berichtete:

"[...] Wie in anderen Schweizer Städten, so wollte auch die HASG das Magazin anderschume auf der Strasse verkaufen. Mit diesem Heft versuchen die Gruppen - in etwas provozierender Form - auf die [...] Diskriminierung ihnen gegenüber aufmerksam zu machen. [...]

Anlässlich der mündlichen Beurteilung des Falles [...] wurde seitens des Bundesgerichts anerkannt, dass eine Homosexuellen-Diskriminierung in der Schweiz heute noch bestehe und die homosexuellen Organisationen deshalb zu Recht Aufklärungsarbeit trieben. Allerdings komme es auf die Form an, und die [...] war es, die dem Bundesgericht im vorliegenden Fall der Zeitschrift anderschume zu provokativ erschien. [...] Indem es aber den Behörden von Stadt und Kanton St. Gallen einen Ermessensspielraum über die Unsittlichkeit zubilligte, auch bei einem Organ, das keine strafrechtlichen Tatbestände erfüllt, schützte es die weitgehend moralisch motivierten Urteile der Vorinstanzen."

Dazu Zeitzeuge und seinerzeitiges HASG-Mitglied René Hornung:1

"Es handelte sich bei diesem anderschume um die berühmt-berüchtigte Ausgabe mit dem Obelix und dem penisförmigen Hinkelstein auf dem Titelblatt. Herausgegeben wurde die Zeitschrift im Namen der HACH (Schweizerische Dachorganisation der Homosexuellen Arbeitsgruppen). Diese Nummer produzierte eine Redaktion rund um den damaligen St.Galler Aktivisten Urs Tremp (1952-2014). Namen fehlen im Impressum des Heftes. Anwalt der HASG beim Prozess war Paul Rechsteiner2.

Der Krach ums anderschume hat auch Zulauf gebracht: Er verhalf der Theatergruppe [Arbeitsgruppe Kultur] zum weit in der Schwulenszene herumreichenden Bekanntheitsgrad. Sie konnte unter anderem in Biel und Zürich auftreten [es waren ziemliche Trash-Shows]. Damit wurde eine Art HASG-Tradition für Theater, Shows und Parties eröffnet, die bis in die 80er-Jahre anhielt und auch bei einem gewissen Segment der Heteroszene bekannt und beliebt war. Die HASG veranstaltete beispielsweise erste Parties in der noch heute bekannten 'Grabenhalle', damals noch eine Turnhalle, die jedes Mal aufwendig umgebaut und eingerichtet werden musste.

Die HASG hat noch bis Ende der 80er-Jahre als Anlaufstelle für Leute im Coming-out funktioniert und ist anfangs der 90er-Jahre 'eingeschlafen'. Die Gruppe existiert heute nicht mehr.

Aber eine Reminiszenz zum anfänglichen Namensstreit bildete folgende Geschichte aus den 90er-Jahren, als wieder eine starke studentische Schwulengruppe an der inzwischen zur 'Universität St. Gallen HSG' umbenannten Hochschule aktiv war: Die Gruppe wollte sich damals HSGay nennen und hatte noch einmal Zoff mit dem Rektorat. Es ging ums gleiche: HSGay unterscheide sich zu wenig von HSG. - Die Gruppe heisst heute Unigay."

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Ernst Ostertag, November 2006

Quellenverweise
1

In einer Mitteilung an Ernst Ostertag vom 9. November 2006

Anmerkungen
2

später Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und langjähriger National- und Ständerat, SP, St.Gallen