1972

Schweizer Vorführung

12. März 1972

Zur Erstaufführung sandte das Kontaktforum Zabriskie Point am 7. März einen Brief an alle Mitglieder, dem ein mehrseitiges Informationsblatt des DAF (Filmclub "Der andere Film") beilag.1 Einige Passagen aus dem Brief:

"Zu sehen [ist der Film] am nächsten Sonntag, den 12. März im Kino Etoile um 11 Uhr morgens. Veranstalter ist DAF, ein Club, der sich zur Aufgabe gemacht hat, Filme zu zeigen, die im kommerziellen Kino nicht zu sehen sind. Wir hatten vor einiger Zeit versucht, diesen Film für unsere Mitglieder zu organisieren, was uns aber nicht gelungen ist. Ein Glücksfall, dass er trotzdem nach Zürich kommt.

Wir empfehlen euch diesen Film dringend, vor allem aus zwei Gründen:

Er konfrontiert uns mit Problemen, [...] die wir zwar aus Erfahrung kennen, aber immer wieder [...] verdrängen und vergessen. Er könnte uns schockieren und dadurch zwingen, unsere Lage im Sinne der Zielsetzung unserer Organisation neu zu überdenken.

Die meisten DAF-Besucher sind mehrheitlich aufgeschlossene jüngere Leute, die überwiegend nicht homosexuell sind. Da anschliessend [...] eine Diskussion mit dem Autor Rosa von Praunheim stattfindet, ist es wichtig, dass auch unser Standpunkt zur Sprache kommt. Wir haben Gelegenheit, [...] ein breiteres Publikum [...] mit unseren Problemen zu konfrontieren.

Die Eintrittskarten sind im Vorverkauf bei der Buchhandlung Pinkus, Froschaugasse 7 [...] zu beziehen. [...] DAF-Programm bei Pinkus oder an der Kinokasse. [...] Wir bitten Euch, möglichst viele Freunde und Bekannte aufmerksam zu machen und einzuladen. [...]"

Das DAF-Informationsblatt enthielt - vor allem zusammen mit dem Film - scharfe Munition für Auseinandersetzungen sowohl mit der gesellschaftlichen Situation als auch für jeden einzelnen mit sich selbst. Einleitend erklärte der Regisseur unter der Überschrift "Rosa von Praunheim zu seinem Film":

"[...] Der Film soll Homosexuelle aktivieren, sie aufrufen, ihre unmässige Angst zu überwinden und selbst für ihre Rechte zu kämpfen. Die Welt der Spiesser ist nicht sauberer als die der Schwulen, und nichtsdestoweniger haben die Schwulen das Recht, so schwul zu sein, wie sie wollen.

Im besten Falle kann man heute schwul sein, wenn man nett und angepasst ist. Wir aber haben das verdammte Recht darauf, die Lebensformen zu verwirklichen, die uns gerecht werden. Das sind bestimmt nicht verklemmte Lokale, Parks und Toiletten. Wir müssen freier werden und offener. Das können wir nur, indem wir uns zu unserem Schwulsein bekennen. Seid stolz auf Eure Homosexualität!

Der Film [...] soll mit gutem Recht z.B. im Fernsehen gezeigt werden, damit die Homosexuellen endlich nicht mehr ausweichen können, sondern knallhart konfrontiert werden, entweder ‚Ja’ zu sich selbst zu sagen oder in ständiger Furcht zu leben, erkannt zu werden und seelisch zu verkümmern. [...]"

"Thesen zum Thema" von Martin Dannecker, der an der programmatischen Aussage des Films mitwirkte, folgten den Ausführungen Praunheims:

"[...] Ein Gebilde, in dem sich Repression und Diffamierung der Homosexuellen so hartnäckig halten, schliesst eine Integration von vornherein aus. Diese setzt eine grundsätzliche, wesentliche Veränderung dieser Gesellschaft mit all ihren Normen und Werten voraus. [...] So ist denn effektive Arbeit mit Homosexuellen nichts weniger als politische Arbeit. [...]

Alle jene aber, die Integration fordern, fordern von Homosexuellen nichts anderes als eine noch weiter gehende Übernahme zwangsheterosexueller Fassade auf zwangshomosexueller Basis. [...]"

Aus einem Gespräch von Christa Maerker (CM) mit Praunheim (RvP), ebenfalls aus dem Infoblatt:

"CM: Die Kritik trifft also nicht die Gesellschaft, sondern die idealisierten Vorstellungen, die Homosexuelle haben.

RvP: Es ist klar, dass Homosexuelle sich erst einmal aus Schuldgefühlen an bürgerlichen Formen orientieren, um diese Schuldgefühle abzubauen. In dem Moment, in dem sie versuchen, eine Ehe nachzuspielen und vor allen Dingen auch deren Prinzipien verfolgen - Treue und Bürgerlichkeit und Sauberkeit -, glauben sie natürlich, ihrer 'Aussenseiterposition' entgegengewirkt zu haben.

In der Schlussperiode des Films wacht der Hauptdarsteller in der Kommune auf. Die fünf Leute machen ihm klar, wie weit er sich bereits angepasst hat und wie er seinen Weg durch die Stationen besser gelöst haben könnte. [...]"

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Ernst Ostertag, Juli 2006

Quellenverweise
1

mit der unter "Inhalt" zitierten Inhaltsangabe