1977

Boldern-Tagung

… mit der Elternkonstaktstelle

Die Boldern-Tagung vom 11./12. Juni 1977 hatte zum Thema "Integration der Homosexuellen". Max Krieg dazu:

"Erstmals mit Beteiligung der Elternkontaktstelle. Im Herbst folgte dann jene in der Paulus-Akademie. So vertieften sich die Kontakte zu Marga Bührig und Else Kähler, zu weiteren Kirchenvertretern und den Exponenten der damaligen Schwulenbewegung: Peter Thommen aus Basel [HABS], Martin Fröhlich aus Bern [HAB], Marcel Ulmann und Beat Meyenberg [beide SOH]. Ins selbe Jahr fielen auch die ersten Kontakte zu Radio DRS [deutschsprachige und rätoromanische Schweiz] und erste Kontakte nach Deutschland."

An der Boldern-Tagung hielt Frau Krieg ein Referat:

"[...] Dass auch dieses Leben sinnvoll sein kann, mussten wir erst lernen. [...] Der Sohn war uns jetzt nicht weniger lieb. Wenigstens das hatten wir begriffen, dass er unser Verständnis nun erst recht nötig hatte. [...] Wohl akzeptierten wir den Sohn, aber es sollte um Gottes Willen niemand etwas merken. [...] Als wir uns in der Familie wieder etwas zurechtgefunden hatten, starb mein Mann beinahe von einer Stunde zur anderen. Jetzt erst erfuhr ich, was wirklich grosses Leid ist. [...]

Während der nächsten Jahre war ich total blockiert und hatte mich ganz zurückgezogen. Bis mir der Gedanke kam, anderen Eltern in der gleichen Situation behilflich zu sein und damit die Bemühungen der Organisationen zu unterstützen. So durfte ich das Manuskript im hey [...] veröffentlichen. Es gab keine Reaktion. Also hinaus an die Öffentlichkeit und dafür sorgen, dass die Beiträge auf den Familientisch kommen. [...] Nun kam das Echo. [...] Hier einige Zitate aus Briefen:

Von Homos:

'Mein Vater wollte mich töten.'

'Ich durfte nicht mehr nach Hause.'

'Ich hatte keine gute Stunde mehr, die Folgen: Alkohol und Drogen.'

'Mein ganzes Leben lang musste ich mich verstecken.'

'Nächtelang betete ich um Verständnis.'

'Meine Mutter hat mich auf den Artikel aufmerksam gemacht.'

'Mit der Mutter kann ich sprechen, der Vater darf aber nichts wissen.'

Von einer Ehefrau:

'Ich heiratete ohne zu wissen, dass mein Mann bisexuell ist. Mit den 5 Kindern bin ich immer allein. Aber wir sprechen nicht darüber.'

Von Müttern:

'Mein Mann darf nichts wissen.'

'Unter gar keinen Umständen darf es publik werden, mein Mann ist in leitender Stellung.'

'Mein Mann behandelt den Sohn wie Dreck, er selber ist Alkoholiker.'

'Der Sohn ist erst durch Drogen so geworden. Die Homosexuellen sind der Abschaum der Menschheit.' [...]

Es gab auch Briefe, die fast nur aus Bibelzitaten bestanden. Es waren wohl Verständnislose, aber keine Bösen dabei. [...] Nach all dem Gelesenen musste ich weitermachen. Man kann nicht begreifen, dass diese Minderheit immer noch ausserhalb der Gesellschaft steht, obschon das Konkubinat gang und gäbe ist, die Pille in der Schulmappe Selbstverständlichkeit.

Im August 1976 traf sich erstmals eine Gruppe Interessierter, [...] sodass die Elternkontaktstelle ins Leben gerufen wurde. Bald darauf konnte durch eine Pressemitteilung, die an 65 Redaktionen ging, die Postfachadresse bekanntgegeben werden. Eine zweite Zusammenkunft, diesmal in grösserem Rahmen, fand im November statt. Notabene in einem öffentlichen Lokal. [...]

Zu bedauern ist, dass die Elterngruppe bis heute mehrheitlich aus Müttern besteht. Wo bleiben die Väter, die sich verantwortlich fühlen?"

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Ernst Ostertag, Mai 2007

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Tagungsort Boldern

Tradition Boldern