1977

anderschume Obelix

Ein HACH-Produkt

Im Sommer 1976 bildete sich eine Re­dak­ti­ons­grup­pe der HACH, bei welcher Mit­glie­der der St. Galler Gruppe (HASG) mass­ge­bend mit­wirk­ten. Ziel war, statt eines per­ma­nen­ten HACH-Infos vorerst ein Son­der­heft zu er­ar­bei­ten. Dieses war für ein brei­te­res Publikum vor­ge­se­hen und

"sollte die Dis­kri­mi­nie­rung Ho­mo­se­xu­el­ler auf­zei­gen, die HACH und ihre Ziele vor­stel­len und zudem als Er­fah­rungs­grund­la­ge für ein re­gel­mäs­sig er­schei­nen­des HACH-Info dienen."1

Im Mai 1977 lag diese Son­der­aus­ga­be im Format A4 in einer Auflage von 5000 Ex­em­pla­ren zum Versand bereit. Sie trug den Namen anderschume und war 20 Seiten stark. Das farbige Ti­tel­bild

"zierte die Co­mic­fi­gur Obelix. Al­ler­dings trug Obelix auf seinem Rücken nicht einen tra­di­tio­nell ge­form­ten Hin­kel­stein, sondern einen Penis."2

Im Edi­to­ri­al auf der Um­schla­gin­nen­sei­te hiess es:

"Wir freuen uns auf Eure Pro­test­brie­fe - oder auf Eure Zu­stim­mung. Alle vier Gruppen warten auf Eure Re­ak­tio­nen."

Im Namen der HACH waren diese vier Gruppen die HAB, HABS, HASG und HAZ, also jene von Bern, Basel, St. Gallen und Zürich. Das Edi­to­ri­al stellte die neue Pu­bli­ka­ti­on vor:

" 'Ei­gent­lich isch er scho rächt - nur schad - er isch halt an­der­schu­me', wer von uns hätte diesen Satz nicht auch schon gehört. In ihm aber spiegelt sich das, was die Ho­mo­se­xu­el­len Ar­beits­grup­pen [...] als Dis­kri­mi­nie­rung be­zeich­nen: Ho­mo­se­xu­el­le werden be­lä­chelt, un­ter­drückt; wie und auf welche Weise das ge­schieht, das steht auf diesen Seiten.

Hier liest man auch, welche Folgen solche Dis­kri­mi­nie­rung auf den ein­zel­nen Schwulen hat und wie der Einzelne sich gegen solche Un­ter­drü­ckungs­me­cha­nis­men wehren kann. [...] In diesem Heft liest man, wie es um jene Leute wirklich steht, die 'an­der­schu­me' sind: Hier schrei­ben sie selbst [...]. Nicht zuletzt deshalb ist 'An­der­schu­me' ein Heft, das un­ge­schminkt aufklärt, das Anstoss erregen will und Anstoss erregen muss vor allem bei denen, die gerade daran sind zu ent­de­cken, dass ihre Se­xua­li­tät viel­leicht doch nicht nur einfach das ist, was ihnen jah­re­lang in der Kin­der­stu­be ein­ge­drillt wurde."

Der Inhalt glie­der­te sich in 13 witzig ver­fass­te Kurz­ka­pi­tel und die Il­lus­tra­tio­nen be­stan­den haupt­säch­lich aus Zeich­nun­gen. Dabei wirkte Obelix auf vielen Seiten als Kom­men­ta­tor mit Sprech­bla­sen, etwa: "Mir wänd äntlech emal en Hetero-Ma dis­kri­mi­nie­re". Ein Comic zeigte in sieben Bildern die fort­ge­setz­te Eins­ar­gung eines Jungen und eines Mädchens mit - Brett um Brett - den ty­pi­schen Sprüchen von Familie und He­te­ro­welt.

Be­son­ders scharfe Re­ak­tio­nen auf dieses Magazin kamen aus St. Gallen, indem die städ­ti­schen Behörden den In­fo­stand der HASG mit u.a. Verkauf des nun anderschume Obelix ge­nann­ten Heftes auf offener Strasse verboten, weil es "un­sitt­lich" sei. Darauf reichte die HASG Rekurs ein und zog den Fall durch bis vor Bundesgericht. Dieses Vorgehen führte, wie immer, wenn ein Verbot zum Schutz von Anstand und Moral erlassen wird, zu einem er­heb­li­chen Schub an Pu­bli­zi­tät sowohl für das Heft wie die HASG und die HACH. Al­ler­dings war es in diesem Fall keine Gra­tis­wer­bung. Denn der Prozess vor den höchsten Richtern in Lausanne ging verloren und die Un­ter­le­ge­nen - also letzt­lich die HACH - hatten für die Kosten auf­zu­kom­men.

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Ernst Ostertag, April 2007

Weiterführende Links intern

Bis vor Bundesgericht

Quellenverweise
1

Beat Gerber, Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot, 1997, Seite 41

2

Beat Gerber, Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot, 1997, Seite 102