1974-1983
Erfolgreiche Jahre
Club In unter Max Krieg
Unter "Bob" und anderen Namen publizierte Max Krieg im hey nun regelmässig seine Kolumne "Notizie dal Ticino". Gelegentlich verfasste er auch Berichte in deutscher Sprache und Übersetzungen aus dem Italienischen, die er meist mit "C" zeichnete. Sie waren eine Bereicherung der Zeitschrift, die mit den "Notizie" dreisprachig wurde.
Gleichzeitig pflegte er vielfache Kontakte zu den in Italien neu entstehenden Gruppen wie die von Luciano Massimo Consoli (1945-2007)1,2 initiierte und geleitete C.I.D.A.M.S. "Centro italiano per la documentazione delle attività delle minoranze sociali" und I.I.S.S. "Instituto Italiano di Storia Sociale" und ebenso die vom bekannten Aktivisten und Turiner Buchhändler Angelo Pezzana inspirierten A.I.R.D.O. "Associazione Italiana per il Riconoscimento die Diritti degli Omofili" in Mailand und FUORI! "Fronte Unitario Omosessuale Rivoluzionario Italiano" in Turin.
1975 organisierte Max Krieg eine allererste öffentliche Konferenz in Lugano zum Thema Homosexualität und gewann dafür den ehemaligen Kreis-Mitarbeiter und Gründer der Arcadie in Paris, André Baudry, als prominenten Gastreferenten. Diese Veranstaltung wurde zum weitherum beachteten Ereignis und brachte für Max das öffentliche Outing. Die Tessiner Presse nannte ihn spöttisch-liebevoll "il finocchio d'oro", den "Goldenen Schwulen", worauf er noch heute recht stolz ist.
Das Angebot zur Übernahme dieser Veranstaltung scheiterte leider sowohl bei der Isola in Basel als auch beim Ursus Club in Bern an mangelndem Interesse der Verantwortlichen.
Typisch für die Zeit war wohl auch, dass nach diesem finocchio d'oro-Outing eine Drohung des Arbeitgebers (die schweizerischen Bundesbahnen, SBB) eintraf, wonach Strafversetzung an eine Stelle ohne Publikumskontakt angekündigt wurde, falls Max Krieg sich noch einmal in ähnlicher Weise exponieren sollte. Selbst Jahre später wurde ihm die Möglichkeit verwehrt, im Tessin als Lehrlingsausbildner tätig zu werden. 1985 gab es noch einmal Aufregung unter seinen Arbeitskollegen, als er in einem Interview mit der Locarneser Zeitung sagte, er könnte sich die Adoption eines Kindes durchaus vorstellen. Sein Arbeitgeber blieb diesmal aber ruhig.
1976 konnte die Associazione eine zweite Konferenz durchführen, diesmal mit dem Schriftsteller Mario Mieli, Autor des viel diskutierten Buches "Elementi di critica omossessuale". Beim zweiten Besuch in Lugano brachte er 1977 sein Theaterstück "Krakatoa" zur Aufführung. Ein weiterer bedeutender Anlass war der Auftritt des bekannten Schauspielers und Sängers Alfredo Cohen mit seinem "Za' Camilla e Mezzafummena".
Gegen Ende der 70-er Jahre zog sich Alessandro Wassilieff mehr und mehr zurück und Max Krieg übernahm seine Funktionen. Sehr bald wurde der Club auch für Frauen geöffnet.
1981 organisierte er zusammen mit dem Vereinsteam des Club In (Associazione) eine weitere Umfrage. Diesmal richtete sie sich an die Kandidaten für die Tessiner Kantonsrats- und Regierungsratswahlen. Noch vor dem Wahlwochenende konnten die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht werden.
1983 fand die Associazione ihr Ende, weil das Lokal wegen Kündigung ausfiel. Alessandro Wassilieff wanderte nach Brasilien aus. Es gelang nie mehr, ein Lokal zu finden, das dauernd und ausschliesslich den Homosexuellen zur Verfügung stand und nur von ihnen geführt wurde.
Ernst Ostertag, September 2006
Weiterführende Links intern
Anmerkungen
- 1
Begründer und Leiter einiger der wichtigen italienischen Homosexuellen-Organisationen
- 2
Auf Initiative von Luciano Massimo Consoli findet jährlich eine Feier auf dem Grab von Karl Heinrich Ulrichs statt