hey: Pädophilie

Tabu-Thema

Nummer 3 vom März 1974 stellte das Thema Pädophilie noch einmal ausführlich zur Diskussion. Der Titel lautete "Pädophilie - eine Krankheit?" mit dem Untertitel "Folgen für die Entwicklung der kindlichen Psyche".1 Diesen Titel trug ein Artikel des niederländischen Forschers und Arztes Dr. Frits Bernard, den er für die Zeitschrift "betrifft: erziehung" vom April 1973 geschrieben hatte. Die hey-Redaktion übernahm ihn und äusserte sich dazu einleitend:

"Hier bringen wir als Denkanstoss den bedeutenden originalen Bericht von Dr. Frits Bernard. Im hey vom Dezember 1973 haben wir dazu die Kritiken von Dr. Rothschild und Dr. Schorsch bereits vorausgeschickt. Neuere Arbeiten von F. Bernard werden wir als Originalbericht baldmöglichst publizieren, da diese unseres Erachtens sehr interessant und bahnbrechend sind."

Dann folgte fett und in einem Rahmen deutlich hervorgehoben ein Schlüsselsatz:

"Die Häufigkeit psycho- und funktionell-neurotischer Beschwerden und das soziale Verhalten der Probanden mit pädophilen Kindheitserlebnissen weichen nicht vom Durchschnitt der niederländischen Bevölkerung ab. Hingegen zeigt der Test, dass die 'Opfer' sich nicht so oft bedroht fühlen und weniger verkrampft sind als der 'durchschnittliche Niederländer'."

Heute würde eine Schwulenzeitschrift es kaum wagen, solche Sätze zu publizieren. Offensichtlich war in den 70er-Jahren dieses Thema noch unbelastet oder so tief im Tabu, dass ein diesbezügliches Vergehen den Gerichten überlassen und in den Medien nicht zur Sensation hochgespielt wurde. Man konnte es wissenschaftlich angehen und diskutieren. Heute hingegen wagt kaum einer sachlich auf den grossen Unterschied zwischen Pädophilie und Kinderschändung einzugehen. Offenbar schafft sich jede Zeit ihre momentane Hexenhysterie, mal diese, mal eine andere.

Die Oktober-Nr. 10 brachte eine von A.R. verfasste illustrierte Reportage über den Künstler und Bildhauer Karl Geiser (1898-1957).2 Dazu gehörte eine Bibliografie und die Auflistung von Geisers plastischen Werken in schweizerischen Museen und in öffentlichen Räumen.

Ernst Ostertag, Juni 2006

Quellenverweise
1

hey, Nr. 3/1974, Seite 23 bis 27

2

hey, Nr. 10/1974, Seite 12 bis 19. A.R. steht vermutlich für A. Renfer