hey 1976: Päpste
Homosexuelle Päpste
In Nr. 3 startete Jürg Amstein, in Handschrift signiert als Jürg Ambach (wie alle seine bisherigen Porträts "Berühmte Homosexuelle"), die sofort vielbeachtete und im Nachdruck separat auch in Skandinavien erschienene Serie "Homosexuelle Päpste".1 Vorausgegangen war einerseits der Fall eines reformierten Pfarrers in Kloten (ZH), der mit einem jungen Kollegen in Konflikt geriet, weil dieser offen zu seiner Homosexualität stand2, und andererseits vor allem das neue Dokument des Vatikans (Papst Paul VI) gegen die Homosexualität. (Das Heft 2 und fast das ganze Heft 3 stand im Zeichen dieser Auseinandersetzung).3
Denn die "Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik" verurteilte vorehelichen Geschlechtsverkehr wie auch Masturbation und homosexuelle Beziehungen. Zu letzteren hiess es, es könne keine pastorale Methode geben, welche diese Handlungen moralisch rechtfertigen würde, denn die Heilige Schrift beurteile solche Beziehungen als schwere Verirrungen. Abschliessend wurde salbungsvoll gesagt:
"Dieses Urteil erlaubt aber nicht den Schluss, dass alle jene, die an dieser Anomalie leiden, persönlich dafür verantwortlich sind."
Für Schwule war das reiner Sarkasmus. Und so löste denn auch der Römische Rückfall in traditionell kirchliche "Sex = Sünde-Lehren" sofort und weltweit die schärfsten Reaktionen aller Gruppen und Organisationen von Homosexuellen aus. Der Vatikan wurde damals noch als Autorität wahrgenommen.
Es waren sechs Päpste, die Jürg Amstein mit ihrem homosexuellen Verhalten sorgfältig recherchiert und belegt vorstellte:
- Johannes XXII (um 1245-1334)
- Leo X (1475-1521)
- Sixtus IV (1414-1484)
- Julius II (1443-1513)
- Paul II (1418-1471)
- Klemens VII (1478-1534)
Sie sind hier in der Reihenfolge ihres Erscheinens im hey aufgeführt, die nicht mit der historischen Abfolge übereinstimmte. Einzelne Portraits waren auf zwei Hefte verteilt. Die ganze Serie endete mit der Sommer-Doppelnummer von 1977.
Im Mai wurde zudem ein bissiger Kommentar der deutschen Bild-Zeitung nachgedruckt:4 Roger Peyrefitte, bekannter Französischer Schriftsteller, hatte Paul VI selber als Homosexuellen geoutet und die ungeschickte öffentliche Reaktion des beleidigten Papstes bot natürlich bestes Futter für ein Blatt wie die Bild-Zeitung.
Im Juni meldete sich die hey-Redaktion:5
"Die Serie 'homosexuelle Päpste' ist eine Antwort auf die jüngste Kongregations-Erklärung aus Rom [...]. Diese Publikationen dienen einzig dem Zweck, aufzuzeigen, dass auch die 'Heiligen' nicht immer so sind. Wir erachten es [...] als erfreulich, dass gleichgeschlechtliche Neigungen in jedem Winkel der Welt und auf allen Etagen zum Spielen kommen [...]."
In der sicheren Annahme und Hoffnung, die römische Erklärung sei ein vorübergehender Rückfall - was auch die Ansicht schwuler Katholiken und zweier meiner Priesterfreunde war - erklärte ich (Ernst Ostertag) im Okotber als "Marco" und Redaktionsmitglied:6
"Wir sind der Meinung, dass eine solche Publikation nützlich sei im kircheninternen Ringen um eine weitere Öffnung und ein Zurückdämmen gewisser konservativ-administrativer Kräfte. Denn sie schafft orientierte Menschen, die [...] den nötigen Druck auch von aussen heilsam ausüben und verstärken werden."
Seine Serie schloss Jürg Amstein:7
"Mit Klemens VII endet die Zeit der spätmittelalterlichen und der Renaissance-Päpste. Ihre grossen Ausschweifungen waren trotz allem menschlich-natürlich, sie schämten sich nicht, sich öffentlich mit ihren Lieblingen zu zeigen: nichts war verdrängt. Nun beginnt das Vertuschen dessen, was sie 'fleischliche Sünde' nennen. Die moderne Zeit bricht an und [...] die Nachfolger Klemens VII übertünchen die 'frivolen' Gemälde im Bad (bis heute) und verstecken gar vieles in Hintergemächer, wo Historiker kaum mehr Beweisbares finden."
Ernst Ostertag, April 2007
Weiterführende Links intern
Quellenverweise
- 1
hey, Nr. 10/1976, Seite 23 ff
- 2
hey, Nr. 2/1976, Seite 5 ff
- 3
hey, Nr. 2/1976, Seite 12 ff und hey, Nr. 3/1976
- 4
hey, Nr. 5/1976, Seite 27
- 5
hey, Nr. 6/1976, Seite 15
- 6
hey, Nr. 10/1977, Seite 4
- 7
hey, Nr. 7/8 1977, Seite 28