1979/1980

Stellungnahme aus Boldern

Akzeptanz!

Der zweite Brief im hey 1/1980 war jener, den die Studienleiterin auf Boldern, Dr. theol. Else Kähler, an den Zürcher Tages-Anzeiger (TA) gerichtet hatte. (Er wurde dort veröffentlicht; hey hatte ihn übernommen.) Daraus einige Passagen:1

"Mit Bestürzung habe ich in den letzten Tagen Artikel bzw. Leserbriefe im Tages-Anzeiger verfolgt, die sich mit den Personen von Papst Johannes Paul II [...] und von Ayatollah Khomeini [...] befassen. Zwei Persönlichkeiten also, die weltanschaulich an ganz verschiedenen Enden stehen. Im Blick auf die Homosexualität vertreten sie jedoch die gleiche negative Meinung.

[...] Der Leserbrief vom 15. Oktober im TA 'Als Homosexueller auf Liebe verzichten?' ist bewegend. Er enthält jene Kritik, die auch in denen aufkeimt, die einmal ökumenisch gesinnt sind und zum andern geglaubt haben, dass wir in diesen Fragen in den letzten Jahren ein Stück weitergekommen sind."

Dann schrieb sie von den regelmässigen Boldern-Tagungen für Homosexuelle:

"Dass solche Tagungen überhaupt wiederholt werden müssen, spricht dafür, wie aktuell das Thema ist und wie viele Menschen, vor allem Homosexuelle, den Mut finden, an solche Tagungen zu gehen. Erfahren sie doch oft Diskriminierung, Verurteilung, und häufig verlieren sie auch ihren Arbeitsplatz, wenn bekannt wird, dass sie 'Schwule' sind. [...]

Was immer der Papst oder Herr Khomeini sagen mag, [...] für mich ist es ein höchster Akt der Lieblosigkeit, homosexuelle Menschen zu verurteilen. Jesus predigt die Nächstenliebe und hat niemanden ausgenommen. [...]

Es erscheint mir so unglaublich, dass wir einen solchen Rückfall in der katholischen Lehre erleben, dass ich es [den vollen Wortlaut der Reden des Papstes in den USA] erst überprüfen möchte. Und so verstehe ich auch die Leserbriefe [...]. Ich begreife die Auflehnung.

Sind sich die Kirchen denn nicht darüber klar, dass sie auf diese Weise mehr und mehr Menschen verlieren werden? Wenn die katholische Kirche sagt, es dürfe keine Homosexuellen geben, dann kann ich nur sagen: Es gibt sie, wir haben sie zu akzeptieren, [...]. Sie sollten unter uns sein können wie jeder andere Mensch auch, der ja auch nicht nach seinen sexuellen oder erotischen Empfindungen gefragt wird."

In dieser Zeit tauchte eine Karikatur aus Holland auf und wurde vielerorts publiziert und als Flyer bei Veranstaltungen verteilt. Sie zeigt die Hand des Stellvertreters Gottes auf Erden, der das homosexuelle schwarze Schaf aus der Herde der weissen wegweist (s. Kritik am Papst).

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Ernst Ostertag, April 2007

Quellenverweise
1

Tages-Anzeiger, 26. Oktober 1979