1982

hey gerettet

Weitermachen!

Im Heft 7/8 1982 erschienen die Seiten in französischer Sprache zum letzten Mal. Auch Beiträge von Frauen fehlten ab Nummer 4.

Dagegen gab es nebst Jürg Amsteins Portraits von berühmten Homosexuellen auch solche von anderen Autoren, etwa jenes über Winckelmann von Peter Schenk.1

Das Zerwürfnis innerhalb des Vorstandes schlug sich auch in der Zeitschrift nieder. Dazu Marcel Ulmann:2

"Ohne die Redaktion, die kollegial entscheidet, zu verständigen, liessen Jost Schüpbach7 und Erwin Scheiwiller Dinge im hey erscheinen, die mit unserer Sache nichts zu tun haben. Beispiele sind der einfältige, handgeschriebene Exkurs über Goethe3, News Beiträge wie jene über Rassendiskriminierung8 und über afghanische Frauen4 und eine Ode von einem Ivano Belli5.

Um diesem Tun ein Ende zu bereiten, stellte der Vorstand 'Richtlinien und Regeln für die Arbeitsgruppe hey' auf, in denen er klar und deutlich sagt, wie der Charakter der Zeitschrift zu sein und die Arbeitsgruppe zu funktionieren hat. [...]

Zehn Tage bevor die Oktober-Nummer hätte erscheinen sollen, kündigten diese [...] Genossen fristlos ihre Mitarbeit und Mitgliedschaft. Das war ihr gutes Recht, wenn sie mit unserer Sache nicht mehr einverstanden waren. Nicht ihr gutes Recht [...] war es, die übernommene Arbeit im letzten Moment unerledigt hinzuwerfen [...], denn ausser einer reduzierten Redaktion und der Druckerei war uns nichts geblieben, kein Setzer, kein Grafiker, kein Monteur, kein Lithograph.

An der Redaktionssitzung, die der Vorstand auf den 22. September einberief, konnte die Oktober-Nummer inhaltlich gerettet werden und in der Folge gelang es [...] auch alle Probleme der grafisch-technischen Produktion [...] zu lösen. [...] Die Oktober-Nummer konnte mit einer Verspätung von nur einer Woche erscheinen. [...]"

Wir rauften uns alle zusammen und schrieben neue Texte oder suchten noch nicht Publiziertes hervor. So eröffnete das noch frische Talent in unserer Arbeitsgruppe, der Theologiestudent René Winzeler (geboren 1952), ab Nummer 10 "Theo's fromme Kolumne"6, die er nun in jedem Heft bis zum letzten (12/1983) durchzog:

"Was an dieser Stelle für einige Zeit die Spalten füllen wird, wäre nie zustande gekommen, hätte nicht die gesamte Redaktion Theo's Einwände wie ein Mann mit einem Sturm von Entrüstung hinweggefegt: Natürlich interessiert das unsere Leser, ob David einst mit dem Jonathan, was es mit Paulus' Sexualneurose und mit dem babylonischen Tempelstrich so auf sich habe. Schliesslich habe (fast) jeder eine religiöse Erziehung gehabt und sei deshalb an diesen tiefreligiösen Fragen speziell und grundsätzlich, vor allem aber ausdauernd interessiert!

Theo hat sich dem Druck gebeugt. Schliesslich hat man als evangelischer Geistlicher eine seelsorgerliche Verantwortung und kann, wo so ein Hunger an Religion aufbricht, seine Dienste nicht versagen. [...] So wird hier nur ans Licht gezerrt, was den schwulen Mann an der Bibel im besonderen interessieren könnte, von alpha bis omega, ganz wissenschaftlich, doch ziemlich ohne Pietät. Was jeder Fromme weiss und jeder Abtrünnige vermutet: Die Bibel ist ein unerschöpflicher Fundus, und sie ist es selbst für das, was es nach ihr gar nicht geben darf: die Homosexualität. [...]

Für viele passen Religion und Satire nicht zusammen. Stimmt das wirklich? Religion ist etwas sehr Ernstes, entweder weil man sie hat oder weil es sehr anstrengend war, sie loszuwerden. Aber Satire ist genau so ernst. Denn was nicht berührt, war noch nie einer satirischen Zeile wert."

Nach oben

Ernst Ostertag, April 2007

Quellenverweise
1

Peter Schenk, Berlin, hey, Nr. 3/1982, "Winckelmann"

2

hey, Nr. 12/1982, Seite 5

3

hey, Nr. 7/8 /1982, Seite 12

4

hey, Nr. 7/8 /1982, Seite 25

5

hey, Nr. 5 /1982, Umschlagrückseite

6

hey, Nr. 10/1982, Seite 17

Anmerkungen
7

langjähriges Mitglied der Redaktionsgruppe, dann Redaktor des P.S. Magazin

8

"soziale Reiche"