SOH und SOH-Info 1985

GV und eine wichtige VS

Die Generalversammlung (GV) vom 23. März im "Weissen Wind" brachte vor allem die Wahl des ehemaligen Präsidenten von 1978 bis 1983, Marcel Ulmann, zum neuen Präsidenten. Das war eindeutig die beste Lösung und alle begrüssten seinen Entscheid mit anhaltendem Beifall. Neuer Vizepräsident wurde Beat Meyenberg, während Reto Feuerstein das Ressort Parteien und Bildungswesen übernahm. Neu in den Vorstand gewählt wurde Carl Diethelm als Chef der Arbeitsgruppe SOH-Info und Charly Büchi als neuer Leiter des Spot25. Markus Gantner und Werner Hohlfeldt behielten ihre Ressorts. Damit gab es wieder sieben Vorstandsmitglieder.

Im Mai 1985 erschien ein von Aktiven der SOH verfasster Bericht im Nachrichtenblatt der Kantonspolizei Zürich. Er trug den Titel "Was sind Homosexuelle?" und war von der Polizei in Form einer Bitte um Aufklärung angeregt worden.

An der dritten Vorstandssitzung (VS) vom 2. September wurde beschlossen, dass es neu nur noch Mitglieder geben solle, damit alle an der GV teilnehmen, nicht nur die bisherigen Aktivmitglieder. Über die entsprechende Änderung der Statuten sollten die Mitglieder in Briefform abstimmen können.

Ein Haupttraktandum dieser VS bildete Aids. Nach der Gründung der AHS (Aids-Hilfe Schweiz) gab es vorläufig Arbeitsgruppen und Beratungsstellen innerhalb der SOH und in den HA-Gruppen, die dabei waren, eigentliche lokale Aids-Hilfen zu bilden. An der VS ging es deswegen um eine möglichst genaue Orientierung über den momentanen Entwicklungsstand. Zudem war man zuversichtlich, dass Mittel vom Bund gesprochen würden. Man rechnete mit mindestens einer Million.

"Die Mittel aufgrund des Aufrufes im SOH-Info tröpfeln so herein. Man kann mit allen Spenden, die bis heute zusammengekommen sind, 'arbeiten', aber mehr auch nicht. Es scheint bei uns Schwulen die effektive Gefahr noch nicht erkannt worden zu sein - oder sie will nicht erkannt werden. [...]

Das einzige, was läuft, ist die Aids-Beratungsstelle, diese ist aber eigentlich eine Sache der HAZ, in Zusammenarbeit mit der SOH. Die Aids-Beratung in Bern liegt nun in den Händen von Beat Meyenberg. Telefone kommen laufend. Je nach Nachfrage will Beat eine Beratergruppe aufziehen."

Unter der Leitung von Charly Büchi (geb. 1959) entwickelte sich Spot25 dynamisch. Als Vorstandsmitglied bat er nun an der VS um Unterstützung bei seinem Projekt, eine eigene Publikation in Form von spot-news herauszugeben. Anlass war eigentlich das von der UNO für 1985 erklärte "Jahr der Jugend". Der Vorstand distanzierte sich anfänglich, beschloss am Ende der Sitzung aber, dem nächsten SOH-info einen von Charly verfassten Bettelbrief beizufügen,

"und dann sehen wir, wie solidarisch sich die Jungen (oder auch die Älteren) mit diesem Projekt [...] zeigen. Ein bisschen Mut wollen wir dem armen Charly ja [...] machen."

Doch da hatte man offensichtlich den voller Ideen steckenden kleinen Carly mit seinem flammend roten Haarschopf ganz schwer unterschätzt: Er brachte es fertig, am 6. Dezember 1985 mit einem Riesenfest im Studentenzentrum ZABI das Erscheinen der Spot25-Broschüre "Ich bin schw…" zu feiern. Sie sollte rasch weitherum bekannt werden.

Zu diesem Fest hatte er "den Star aus Deutschland, Georgette Dee und Terry Truck" engagiert und "im Vorprogramm zeigen wir den Film 'Zabriskie-Point' von Michelangelo Antonioni", wie es auf dem Flyer hiess.

An dieser VS galt es auch über den Mitgliederbeitrag zu beschliessen, was vielleicht ein anderer Grund war, den "armen Charly" kurz zu halten: "Da wir mit schönster Regelmässigkeit [...] mit einem Defizit abschliessen" brauche es eine Anpassung auf 50 Franken, Jugendliche bis 25 auf 30 Franken pro Jahr, also eine generelle Erhöhung um zehn Franken. Das sollte den Mitgliedern zusammen mit der Statutenänderung (Abschaffung des Status Aktivmitglied) zur Abstimmung schriftlich vorgelegt werden.

Radio LORA konnte am 30. August eine Sendung "Schwulfunk" ausstrahlen, die am Tag darauf wiederholt wurde. Schwules Radioprogramm, ein Projekt der SOH seit 1983, war mühsam umzusetzen; diese Sendung musste laut Protokoll "innert Tagesfrist zusammengestellt" sein.

Am 4. Dezember kündigte Groupe Symétrie, Lausanne, ihre Mitgliedschaft per Ende Jahr.

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Ernst Ostertag, April 2007