1994
Von SOH zu Pink Cross
Wie der Anschluss gelingt
Im Dezember erhielten alle Mitglieder ein Schreiben von Pink Cross, gezeichnet von Beat Meyenberg als Vorstandsmitglied der SOH, Beat Wagner als Präsident von Pink Cross und Rolf Trechsel als Vorstandsmitglied der SOH und zugleich Sekretär von Pink Cross:
"Die SOH war die älteste schweizerische Schwulenorganisation. [...] Ihr Schwergewicht lag auf der Förderung der Akzeptanz der Homosexualität in der Gesellschaft. Mittel dazu war eine beharrliche Realpolitik. Die klare Mehrheit des SOH-Vorstandes hätte die SOH deshalb gerne in jene Organisation überführt, welche der SOH sowohl von den Zielen wie den Mitteln her am nächsten steht: Pink Cross. Aufgrund der SOH-Statuten (keine Weitergabe der Mitgliederkartei an einen anderen Verein) war eine Fusion mit Pink Cross leider nicht möglich.
Pink Cross ist heute eindeutig der schweizerische Dachverband für die Vertretung schwuler Interessen und spielt in diesem Sinne jene Rolle, welche die SOH früher wahrgenommen hatte. Pink Cross entstand vor eineinhalb Jahren und hat die breite Unterstützung aller Schwulenorganisationen und auch der kommerziellen Gay-Betriebe sowie zahlreicher Einzelmitglieder. Auch die SOH war bei Pink Cross von Anfang an dabei. Pink Cross verfolgt - ähnlich wie früher die SOH - einen pragmatischen politischen Kurs. [...] Die finanzielle Grundlage von Pink Cross ist [...] noch sehr schmal, die Organisation ist auf Neumitglieder dringend angewiesen.
Die Mehrheit des SOH-Vorstandes bittet die Mitglieder deshalb, Einzelmitglied bei Pink Cross zu werden und so die Idee der SOH weiterzutragen. [...]"
Das absolute Geheimhalten der Mitgliederkartei war ein unantastbares Gebot der Sicherheit aus den 30er Jahren und blieb so im KREIS und bei dessen Nachfolgern. Zu Recht. Jedoch, mit Abschaffung der letzten Homo-Register und den Bestrebungen um eine neue nationale Dachorganisation sämtlicher Gruppen und Betriebe hatte es seine Notwendigkeit verloren. Eine vorausschauende Statutenänderung ab 1992/93 hätte die Überführung problemlos ermöglicht.
Kontinuität - rechtmässige Nachfolge, Rückblick und Ausblick
Zum Versand dieses entscheidenden Schreibens verwendete der Vorstand noch ein letztes Mal die Mitgliederkartei; dann wurde sie vernichtet. Uns Mitbegründer der SOH erinnerte dieser Übergang an jenen vom KREIS zum Club 68 vor genau 27 Jahren. Auch damals diente die Abonnenten-Kartei der Kreis-Redaktion für den Versand ihres letzten Heftes, dem die Aufforderung beilag, sich der neuen Gruppierung mit ihrer neuen Zeitschrift anzuschliessen. Dann wurden die Mitgliederlisten verbrannt. Club 68 und SOH sahen sich zu Recht als Nachfolger des KREIS und seiner Vorgänger bis 1932.
Mit dem Schreiben vom Dezember 1994 und den daraus resultierenden Einzelmitgliedschaften von ehemaligen Mitgliedern der SOH ab 1995 trat Pink Cross aus klarem Entscheid in dieselbe direkte Linie der rechtmässigen Nachfolge. Auch die grossen Veränderungen, politisch, juristisch und gesellschaftlich, die Pink Cross und seine verbündeten anderen nationalen und regionalen Gruppierungen im Kampf um gleiche Rechte und Akzeptanz seit 1995 errangen und verwirklichten und in Zukunft noch erringen und verwirklichen werden, sie alle basieren auf dem zähen Willen und dem selbstlosen, oft gefahrvollen Einsatz all der vielen Vorgänger, meist Einzelkämpfer, mit ihren Organisationen.
Ernst Ostertag, April 2007