1988

Ausstellung Räume 1+2

Auf uns persönlich wirkte damals jeder dieser Räume wie ein sich fünf Mal wiederholendes Aha-Erlebnis. Es stiegen Gesichter, Begegnungen, Zusammenhänge hoch, die Ausstellung wurde uns zur Wanderung durch bekannte Gefilde, die je ihren Zeitgeist spiegelten und die damalige Atmosphäre mit Bildern und Texten evozierten.

Auch einem heterosexuellen oder sehr jungen schwulen Besucher mochte es ähnlich ergehen, denn das gestalterische Prinzip des Ganzen galt in jedem Abschnitt sowohl der Selbstsicht der Homosexuellen als auch ihrer Wahrnehmung durch Nicht-Betroffene.

Beispiele:

Unvergesslich das Schattenspiel an einer Wand, zwar im Hintergrund, aber mehr als lebensgross: ein Treffpunkt von "Artgenossen" der 30er Jahre im legendären Restaurant "Besenstiel", während davor die realen Versatzstücke einer Polizeistube der Zeit aufgebaut waren. Beklemmender Nachvollzug der konkreten damaligen Situation "Big brother is watching you!"

Dazu aus dem Bericht in der Basler AZ (Abendzeitung) vom 6. Februar 1988:1

"Dominierend im ersten Raum der Ausstellung sind [...] der nachgestellte Polizeiposten und, im Glaskasten, die Original-Polizeiprotokolle, in welchen sich die Schreiber zum Teil in massiv beleidigender Weise über die von ihnen bespitzelten Homosexuellen äussern. Originalton: 'W. ist ein alter S...niggel und der Polizei schon seit mehr als 20 Jahren als solcher bekannt' oder 'Fast alle Homosexuellen sind Weichlinge'."

Zum zweiten Raum fuhr die Basler AZ in ihrem Bericht fort:

"Während den Kriegsjahren wurden die Schwulen wieder vermehrt ins Dunkel abgedrängt2. Einschneidendstes Ereignis jener Zeit war der Strafprozess gegen die 'Schwarze Legion', eine Bande jugendlicher Strichjungen, welche sich auch als Diebe beteiligten.

Die Aktivitäten dieser Bande kamen deshalb ans Licht, weil einer von ihnen über alles genau Buch führte. In der Folge wurden 17 Männer mit der Bande in Verbindung gebracht und wegen widernatürlicher Unzucht mit Unmündigen angeklagt. Zweifellos bestärkte diese Affäre das Vorurteil der Öffentlichkeit [...]. Die Ausstellung zeigt das Echo in der Presse, welche sich in dieser Frage von rechts bis links so ziemlich einig war."

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Ernst Ostertag, Mai 2008

Quellenverweise
1

Basler AZ, 6. Februar 1988

Anmerkungen
2

Gemeint ist die behördlich verordnete nächtliche "Verdunkelung". Ein Entgegenkommen an die Achsenmächte Deutschland und Italien, um mit beleuchteter Schweiz den alliierten Bombern keine erleichterte Orientierung zu bieten. In den dunkeln Gassen und Hinterhöfen konnten sich Schwule recht gefahrlos treffen. Ältere Kameraden berichteten uns in den 50er Jahren von dieser "schönen Zeit" der vielen Möglichkeiten. Aber die dunklen Stellen waren auch Tummelplätze von Strichern und Kriminellen.