2004
Papst ins Gewissen reden
… bei seinem Schweiz-Besuch
Kurz vor dem CSD (Christopher Street Day) vom 5. Juni 2004 traf Papst Johannes Paul II zu einem Besuch in der Schweiz ein. Die Abstimmungs-Organisationen entschieden, es solle in keiner Weise öffentlich demonstriert werden, weil das dem Kampf ums Partnerschaftsgesetz nicht förderlich sei. Man wollte stattdessen Politiker um Vermittlung angehen. Der HAZ-Newsletter (HAZ, Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich) vom 2. Juni gab davon Zeugnis, indem er eine Pressemitteilung von LOS (Lesbenorganisation Schweiz) und Pink Cross (Dachverband Schwulensekretariat Schweiz) zitierte:
"Dem Papst ins Gewissen reden. Schwule und Lesben bitten den Bundesrat um Vermittlung.
Statt an den CSD in Zürich reist eine Delegation der Landesregierung am 5. Juni nach Payerne (VD), um den Papst zu begrüssen. [...] Pink Cross hat den Bundesrat in Absprache mit der LOS gebeten, gegenüber dem Papst einige Punkte anzusprechen, in denen sich die offizielle römisch-katholische Kirche in menschenrechtlicher und staatsrechtlicher Hinsicht problematisch verhält:
Das Engagement der röm. kath. Kirche gegen die eingetragene Partnerschaft. [...] Eine Kirche darf Personen, die nicht dieser Kirche angehören, nicht ihre Regeln aufzwingen, insbesondere nicht über die Gesetzgebung eines Staates, dessen Bevölkerung verschiedenen Konfessionen oder auch gar keiner Konfession angehört.
Das Engagement der röm. kath. Kirche gegen die sogenannte 'Brasilien-Resolution', [...] mit welcher Brasilien die Ächtung der Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung durch die UNO-Menschenrechtskommission erreichen wollte. In Allianz mit den islamischen Staaten hat der Vatikan im März 2004 zum zweiten Mal eine Verabschiedung dieser Resolution verhindert.
Mehr als nur Entschuldigung fällig.
Die röm. kath. Kirche ist verantwortlich für die Verfolgung und Ächtung von Homosexuellen über Jahrhunderte hinweg. Sie trägt die Mitverantwortung für ungezählte Hinrichtungen, Selbstmorde, menschliche Tragödien, aber auch für die gesellschaftliche Ächtung der Homosexuellen mit all ihren Auswirkungen bis in unsere Zeit.
Heute, wo klar ist, dass das Verständnis von Homosexualität, auf welches sich die Kirche stützte, ebenso falsch ist wie das Bild der um die Erde kreisenden Sonne, fordern LOS und Pink Cross von der röm. kath. Kirche nicht nur eine Entschuldigung, sondern einen Kurswechsel und einen aktiven Beitrag zur Integration der Lesben, Bisexuellen und Schwulen in die Gesellschaft. Exponenten dieser Kirche in der Schweiz und andere christliche Kirchen zeigen, dass dies mit dem Christentum sehr wohl vereinbar ist."
Ernst Ostertag, Oktober 2008