2003

Interview

… mit dem kath. Weihbischof für Zürich

In seiner Ausgabe vom 21. August 2003 veröffentlichte der Tages-Anzeiger (TA) ein Interview mit dem neuen katholischen Weihbischof für Zürich, Paul Vollmar, und stellte unter dem Titel "Die Kirche soll Menschen glücklich machen" (Ausspruch Vollmars) fest: er

"denkt liberaler als Rom - ausser beim Thema Homosexualität":

"[...] TA: Die Kirche glaubt, schwulen Partnerschaften den Vollzug absprechen zu können, indem sie behauptet, zwischen einer heterosexuellen und einer gleichgeschlechtlichen Beziehung gebe es keinerlei Analogie. Die Analogie ist doch die Liebe.

Vollmar: Ich habe während Jahrzehnten Homosexuelle seelsorgerisch begleitet. In dieser ganzen Zeit ist mir nie ein glückliches homosexuelles Paar begegnet. Und gemäss kirchlicher Lehre baut die Gesellschaft auf der Familie auf, die den Nachwuchs zum Ziel hat. Zwar ist dem Lehramt zufolge die Sexualität nicht mehr ausschliesslich auf Nachwuchs, sondern auch auf Liebe ausgerichtet. Dennoch bleibt für uns die sexuelle Liebe unter gleichgeschlechtlichen Partnern amoralisch.

[...] TA: Das Vatikan-Papier fordert Bischöfe und Politiker zum öffentlichen Widerstand gegen registrierte Partnerschaften auf. Werden Sie dem in Zürich nachkommen?

Vollmar: Wir Bischöfe können weder im Kanton Zürich noch auf Bundesebene offiziell gegen die Politik antreten. Wir machen nur auf das Papier aus Rom aufmerksam. Volk und Politiker haben ihr eigenes Gewissen und müssen danach handeln. CVP-Exponenten haben ja erklärt, dass sie nicht die Diener der Kirche sind. Das wäre in der Schweiz auch kaum möglich. Wir dürfen nicht verkennen, dass wir eine Gesellschaft ohne Kirche haben. Jedenfalls hört man nicht mehr auf die Kirche. Und die Kirche hat kaum noch Gläubige. Die verbleibenden Gläubigen wiederum haben nur wenig Glauben. Das sind drei Brüche, die unsere gegenwärtige Situation prägen. [...]"

Natürlich gab es auf diese Äusserungen vielfache Reaktionen, sowohl in Leserbriefen als auch mit ganzen Artikeln. Zunächst einige Leserbriefe aus dem Tages-Anzeiger vom 23. August 2003:1

"Die katholische Kirche akzeptiert die homosexuelle Veranlagung, verurteilt aber deren sexuelles Ausleben. Es ist, wie wenn ich ein Leben lang glücklich wäre, aber dabei niemals lachen dürfte. Darf eine Kirche, die Menschen glücklich machen will, diesen Anspruch stellen?"

Stefan Zehnder, Zürich, im Vorstand der HAZ

"Wenn Herr Vollmar sagt, ihm sein noch nie ein glückliches homosexuelles Paar begegnet, dann ist das fast dasselbe, wie wenn ein Psychiater sagt, dass er noch nie einen gesunden Schwulen behandelt hat. Wie soll ein Schwuler in einer Kirche glücklich werden, die ein so bigottes Verhältnis zur Sexualität - und besonders zur Homosexualität - hat? Vielleicht sieht sich Herr Vollmar einmal in den Niederungen unserer Welt um und erkennt dann, dass es doch den einen oder andern Glücklichen unter uns Schwulen gibt. Allerdings wahrscheinlich ohne Kirche. Denn diese hat die Natur des Menschen ja noch nie akzeptiert."

Hans-Ruedi Schürch, Winterthur

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Ernst Ostertag, Oktober 2008

Quellenverweise
1

Tages-Anzeiger, 23. August 2003, Seite 21