1999

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Antwort auf die Petition

Im Juni 1999 erschien endlich - als Antwort auf die Petition und nun unter Federführung der neuen Justizministerin Ruth Metzler - der Bericht des Bundesamtes für Justiz:

"Die rechtliche Situation gleichgeschlechtlicher Paare im schweizerischen Recht, Probleme und Lösungsansätze".

Erstmals ging ein Bundesamt grundsätzlich auf gesellschaftliche Veränderungen gegenüber homosexuellen Mitbürgern und auf deren begründete Forderung nach gleichen Rechten ein, dies im Eingangskapitel "Allgemeines":1

"Homosexualität existierte in allen Kulturen und Gesellschaftsformen. Trotzdem wurde sie in der Vergangenheit mehr oder weniger weitgehend tabuisiert. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich die öffentliche Meinung gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren gewandelt. Namentlich die rechtlichen und tatsächlichen Probleme gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften werden heute breit diskutiert. Die neue, von Volk und Ständen am 18. April 1999 angenommene Bundesverfassung der Schweiz statuiert in Artikel 8 Absatz 2 ausdrücklich, dass niemand wegen seiner Lebensform diskriminiert werden darf. Der gesellschaftliche Wandel hat sich aber auch schon bei der Revision des Sexualstrafrechts niedergeschlagen.

[...] Die dargelegte Entwicklung dürfte auf verschiedene Umstände zurückzuführen sein. Einmal ist auf die generell veränderten gesellschaftlichen Strukturen hinzuweisen, die auch zu einer Vielfalt der Formen des partnerschaftlichen Zusammenlebens geführt haben. Sodann ergibt sich aus dem heutigen Verständnis des Grundrechts der persönlichen Freiheit eine grössere Offenheit und Toleranz gegenüber der individuellen Lebenshaltung des Einzelnen. Gleichzeitig haben sich die gesellschaftlichen Moralvorstellungen gewandelt. Schliesslich ist die festzustellende Entwicklung zweifellos auch Ausdruck einer homosexuellen Emanzipationsbewegung (Stichwort 'Coming-out'), d.h. eines veränderten Selbstverständnisses und Selbstvertrauens der betroffenen Personen, und das Resultat der beharrlichen Öffentlichkeits- und Lobby-Arbeit ihrer Interessenorganisationen. [...]

Die wachsende gesellschaftliche Toleranz gegenüber Homosexuellen ist keine spezifisch schweizerische Erscheinung, sondern kann auch im übrigen europäischen, aber auch im aussereuropäischen Ausland festgestellt werden. Die internationale Entwicklung hat unter anderem in der 1993 erfolgten definitiven Streichung der Homosexualität im Krankheitsregister der WHO ihren Ausdruck gefunden.

[...] Die geschilderte Entwicklung sollte indessen auch nicht überschätzt werden und zur vorschnellen Folgerung verleiten, dass Homosexualität heute weitgehend gesellschaftlich anerkannt ist. Tatsache ist vielmehr, dass Homosexuelle im Alltag immer wieder auf Misstrauen und Ablehnung stossen sowie Spott und nicht zuletzt auch physischen Übergriffen ausgesetzt sind."

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Ernst Ostertag, Oktober 2008

Quellenverweise
1

Die rechtliche Situation gleichgeschlechtlicher Paare im schweizerischen Recht, Probleme und Lösungsansätze, Seiten 2 bis 3