ab 1987
"AG Bundespolitik"
… eine Arbeitsgruppe der HAZ
Im Herbst 1987 fanden Nationalratswahlen statt. Diese Tatsache nutzten einige politisch wache Mitglieder der HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich), um aktiv zu werden. Einem Aufruf, sich am 30. April 1987 im Begegnungszentrum zu treffen, folgten sechs Männer und gründeten eine politische Arbeitsgruppe innerhalb der HAZ. Bald nannten sie sich "Arbeitsgruppe (AG) Bundespolitik". Die Gründer waren:
Rolf Trechsel, Martin Abele, Paul Marquard, Adrian Ramsauer, Lucas Schloeth und Renato Schlittler. Als sogenannt "zugewandter Ort" und juristischer Berater gehörte auch Paul Baumann der Gruppe an.
Rolf Trechsel in seiner Aktennotiz zu Handen des Schwulenarchivs, sas:1
"Die Gruppe, welche sich um realpolitische Themen auf kantonaler wie eidgenössischer Ebene kümmerte, verstand sich zuerst als Arbeitsgruppe der HAZ, die auch Aufträge der HACH ausführte. Später betrachtete sie sich als 'AG Bundespolitik' der HACH (Dachorganisation der Homosexuellen Arbeitsgruppen Schweiz).
Der etwas spezielle Status der Gruppe spiegelt die Veränderungen in der Schwulenbewegung wieder. In den 80er Jahren stand Gesellschaftspolitik und nicht Realpolitik für die HACH im Vordergrund. Von den Parlamenten erhoffte man sich nichts. Die AG Politik interessierte aber die Realpolitik: Es ging um die rechtlichen Verbesserungen für Schwule. Sie holte sich für ihre Lobbyarbeit immer wieder die Legitimation der HAZ beziehungsweise der HACH, agierte aber recht selbständig.
Die Gruppe lancierte als erstes eine Umfrage unter Nationalrats-Kandiat/innen im Kanton Zürich und befasste sich anschliessend schwergewichtig mit folgenden Themen - dies zeitlich parallel:
- Revision des Sexualstrafrechts (insbesondere Militärstrafrecht, 1988-1990)
- Ausländerrecht ab 1988
- Lebensformenpolitik ab ca 1989 (Öffnung der Ehe respektive Schaffung einer Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare)
- Neue Antirassismus-Bestimmungen im Strafgesetzbuch - Einbezug von Lesben und Schwulen
Aus der Gruppe entstand durch Beteiligung von Aussenstehenden schliesslich das Komitee 'Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare', welches die gleichnamige Petition lancierte."
Die neue Arbeitsgruppe richtete eine Anfrage an: (Zitat aus Beat Gerbers Lizentiatsarbeit zur Geschichte der HACH)2
"sämtliche sich im Kanton Zürich zur Wahl stellenden KandidatInnen. Gefragt wurden die 417 PolitikerInnen, ob sie der Streichung von Art. 194 StGB und Art. 157 MStG zustimmen würden und ob sie den Abbau der Privilegierungen der Ehe gegenüber anderen Formen der Lebensgemeinschaft"
unterstützen könnten. Die Umfrage zeigte, bei einem Rücklauf von 20%, dass vor allem persönliche Ansichten die Antworten bestimmten. Offizielle Parteipositionen gab es nicht.
Mehrheitlich bejahend fielen die Äusserungen von Vertreterinnen und Vertretern der SP und der Grünen aus, während die bejahenden Rückmeldungen von bürgerlicher Seite sich um 10% bewegten - von jenen relativ wenigen, die überhaupt antworteten. Das Anderschume/Kontiki vom September-November 1987 informierte über das Ergebnis der Umfrage. Autoren waren Rolf Trechsel, Martin Abele und Lucas Schloeth.3
Ernst Ostertag, April 2008
Weiterführende Links intern
Quellenverweise
- 1
Rolf Trechsel in seiner Aktennotiz zu Handen des Schwulenarchivs (sas) am 27. September 2006, als er seine Unterlagen "AG Bundespolitik 1987-1992" einlieferte, wo sie nun unter 36.71.8 abgelegt sind
- 2
Beat Gerber, Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot. Die Homosexuellen Arbeitsgruppen der Schweiz (HACH) von 1974-1995, Seite 75
- 3
Anderschume/Kontiki Nr. 3, September/November 1987, S. 32/33