1998

Stonewall Award

… für PinkRail

Thomas Eichenberger setzte den Titel "PinkRail gewinnt den ersten Stonewall Award" auf die Frontseite der PinkRail News Nr. 5/98 vom November und fuhr im Editorial fort:

"Ganz überraschend wurde uns [...] am 3. Oktober 1998 [...] der erste Stonewall Award der Schweiz für unsere Arbeit verliehen. [...] Wir sind sehr stolz [...] und möchten uns [...] bei Euch allen bedanken. Ohne Eure Unterstützung und Euer Mitmachen wäre aus der Idee PinkRail nicht das geworden, was es heute ist."

Die Stiftung Stonewall gab am 3. Oktober eine Medienkonferenz unter dem Titel "Stonewall Award with Migros 1998" und brachte in der Pressemappe dazu folgende Hinweise:1

"In diesem Jahr wird der 'Stonewall Award' an die Gruppe 'PinkRail' vergeben. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, schwulen Anliegen innerhalb der SBB eine Stimme zu verleihen.

Mit dem Preis zeichnet die Stiftung Stonewall 'PinkRail' für ihren Mut aus, in einem konservativen Umfeld offen schwul aufzutreten und das Anliegen ihrer Mitglieder zu vertreten. [...]"

Die Laudatio hielt Stiftungsrat Thomas Peter:2

"Wir zeichnen PinkRail [...] aus zwei Gründen aus: Der erste Grund ist am einfachsten mit einer kurzen Geschichte erzählt. Seit bald vier Jahren bin ich - wie so viele andere - Zugpendler zwischen Basel und Zürich. Vor längerer Zeit bin ich dabei zufällig mit einem Kondukteur der SBB ins Gespräch gekommen. Selbstverständlich: er hat gemerkt, dass ich schwul bin und umgekehrt. Er erzählte mir, dass an seinem Arbeitsplatz innerhalb der SBB niemand wisse, dass er schwul sei. Das sei kein Thema - ein Tabu.

Ich erzählte ihm von Markus, einem Kollegen meines Freundes. Markus arbeitet seit Jahren für die SBB als Spediteur. Von Anfang an hatte Markus ein Abenteuer mit Frauen nach dem anderen - zumindest vor seinen Arbeitskollegen. Und jeden Abend fährt er nach Hause zu seinem Freund.

Als ich zum ersten Mal von der Existenz von PinkRail gehört habe, hat mir der Mut der Initianten grossen Eindruck gemacht. Der Mut, in einem wenig progressiven Betrieb in einer wenig fortschrittlichen Branche hinzustehen und zu sagen: Hallo, ich bin schwul und ich setze mich dafür ein, dass ich die gleichen Rechte bekomme, wie meine heterosexuellen Kollegen. [...]

Dafür, dass die PinkRailer den Mut gehabt haben, in die Öffentlichkeit zu gehen und sich für ihre und unsere Sache einzusetzen, bekommen sie [...] den 'Stonewall Award'.

[...] Nach Meinung der Stiftung Stonewall soll PinkRail ein Beispiel dafür sein, wie Engagement für Gleichberechtigung und Akzeptanz auch und gerade innerhalb der Wirtschaft und am Arbeitsplatz geleistet werden kann. PinkRail kann ein Vorbild und eine Ermutigung für Schwule in anderen Betrieben und Branchen sein. Mich würde es freuen, bald von einer Pink Post, einem Pink Office, einer Pink Bank zu hören. [...]"

Aus einer Mail, die Thomas Gyger am 24. September 1998 an seine zur Entgegennahme des Stonewall Awards ausgewählten Kollegen im PinkRail-Team und an Mark Bächer, damals Pink Cross-Präsident, zur Orientierung sandte:

"Das Telefon klingelt pausenlos und der Mail-Briefkasten füllt sich sofort nach jeder Leerung: bei PinkRail ist was los!

[...] Ein paar Infos zum 3. Oktober:

Der Stiftungsrat von Stonewall besteht aus 7 Mitgliedern: Claude Janiak, Urs Reimann, Robert Zimmermann, Frank Weinmann, David Streiff, Thomas Peter und Nicolas Wenger.

Der mit CHF 10'000.- dotierte Preis wird laut G.S. [anonymisiert, Projektleiter des Migros-Kultursponsorings] 'für aussergewöhnliche Leistungen vergeben, die zur Emanzipation der Schwulen beitragen'. Offenbar wollte die Migros die 'Mr. Gay-Wahlen' nicht direkt sponsern, sondern über diesen Preis (CHF 5'000.-). Weitere Infos dazu im Brückenbauer Nr. 39 vom 22.9.98. [...]

Wir 5 PinkRailer (Max Krieg, Thomas Eichenberger, Andreas Kuoni, Daniel Hurter und Thomas Gyger), die auch auf der Bühne den Award entgegennehmen werden, treffen sich [...] im Xtra Limmathaus, Zürich. Besprechung im Team, Vorstellung des Stiftungsrats und Ablauf des Programms.

20.00 Pressekonferenz (viel Information)

23.30 Preisübergabe [...] und ein paar Dankesfloskeln von uns (wer? usw.)

Der Preis besteht aus einem Backstein, von einem Künstler gestaltet.

Stonewall wünscht, dass wir in Uniform auftreten. [...] Da die meisten sowieso keine Uniform mehr haben, organisiere ich 5 neue SBB-Warnwesten. Stefan Michel3 bringe bitte selber eine neue Warnweste der BLS [Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn] mit!

[...] Die Warnwesten waren massgeblich 'schuld', dass wir am CSD aufgefallen (O-Ton Stonewall: 'visuell rübergekommen') sind und jetzt immerhin CHF 10'000 abholen dürfen!

Stonewall stellt eine Pressemappe zusammen. Ich liefere den Text (abgeleitet von unserer Broschüre).

Jeder soll sich bitte überlegen, ob er auch den Journalisten Red und Antwort stehen will. Wenn ja, was er zu sagen hat. So aus dem hohlen Bauch könnte es noch schwierig sein…

Stonewall und Pink Cross wollen, dass diese Veranstaltung sehr werbewirksam und professionell über die Bühne geht.

[...] Alles klar! [...] Ich bin ja so aufgeregt…"

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Ernst Ostertag, Juni 2008

Weiterführende Links intern

Stiftung Stonewall

Quellenverweise
1

Aus der Pressemappe, Seite 4

2

Aus der Pressemappe, Seite 5

Anmerkungen
3

Er gehörte offenbar als sechster dazu.