Gesetze in der Schweiz

Begonnen mit der Helvetischen Republik von 1798 dauerte es 200 Jahre, bis sich bei einer Mehrheit unserer Bevölkerung der Gedanke durchgesetzt hatte, homosexuelles Verhalten sei nicht unmoralischer als heterosexuelles und brauche darum weder bestraft noch ärztlich, psychiatrisch oder seelsorgerlich speziell behandelt zu werden.

Da es in einer direkten Demokratie (ab 1848) auf das Denken und Meinungsbilden des Volkes ankommt, steht der Gesetzesprozess nicht immer am Anfang. Es ist möglich, ihn von oben, von Regierenden und ihren politischen Gremien anzustossen und vorzudenken. Gesetze können aber auch von unten, vom "Souverän", dem Volk und den politischen Parteien angestossen werden. In jedem Fall ist es das Volk, das sie schliesslich annimmt oder verwirft. Und das dauert so lange, bis der Denkprozess eine Mehrheit der Bevölkerung erfasst hat und diese sich eine Meinung bilden konnte.

Dieser Prozess kann auch von Aussenseitern, von einer Minderheit, wie es die Homosexuellen sind, angeworfen, durchgetragen und sogar beschleunigt werden. Davon zeugt die Schwulengeschichte ab 1988, als es um die Revision des Strafgesetzes (StGB) und später um die Schaffung des Partnerschaftsgesetzes ging.

Aber schon viel früher, bei der Schaffung des StGB 1929, war eine Gruppe von Homosexuellen beteiligt. Der damaligen Lage entsprechend völlig verdeckt und anonym. Das StGB trat nach der Volksabstimmung von 1938 Anfang 1942 in Kraft. Im deutschsprachigen Raum war die Schweiz damals der erste Staat, der homosexuelle Akte unter Erwachsenen legalisierte. Dennoch begann ein breites Umdenken erst in den 70er Jahren. Es erforderte intensive Arbeit aller organisierten Homosexuellen bis es schliesslich ab 1992 bei Volksabstimmungen zu positiven Ergebnissen mit eindeutigen Mehrheiten kam.

Ernst Ostertag, September 2010