Hohes Niveau

Die Zeitschrift Menschenrecht und ihre Abonnenten-Gemeinschaft

"Blick in die Zukunft" hiess der von Karl Meier / Rolf gezeichnete Leitartikel auf der ersten Seite des Menschenrecht 1/1940. Er zeigte den Weg in eine gebildete, eher elitäre Abonnenten-Gemeinschaft von anonym bleibenden homosexuellen Männern und einigen wenigen Frauen:

"Der neue Weg kann beschritten werden. - Durch den Willen vieler alten und eine kleine Anzahl neuer Abonnenten können wir an die Aufgabe herantreten, die wir uns gestellt haben: in diesen wenigen Blättern künstlerischen Formulierungen unseres Lebensgefühls Raum zu geben, seien es Gedichte, Novellen, Bruchstücke aus Romanen oder, wenn es unsere Mittel erlauben sollten, Zeugnisse der bildenden Kunst. [...] Bisher wollten wir versuchen, möglichst jedem Geschmack Rechnung zu tragen, um durch einen möglichst umfassenden Abonnentenkreis grössere Mittel [...] zu gewinnen. Die Zeit hat uns gelehrt, dass dieser Weg falsch war. Wir können uns nur an diejenigen wenden, die ein wirkliches Interesse an den Kulturerscheinungen haben, die aus unserem Eros heraus geboren werden. Alle anderen interessieren uns nicht mehr. [...] Alle Veranstaltungen, die wir ab und zu treffen, wollen wir nur noch unseren Abonnenten zugänglich machen. [...] Diese Kameraden gehören zu uns und wir zu ihnen.

Wir haben ein neues Postcheck-Konto gewählt, [...] das einzig und allein für unsere Zeitschrift bestimmt ist. [...] Als wichtiges neues Moment ist die Abonnentennummer zu nennen für Freunde, die aus irgend einem Grunde anonym bleiben wollen. [...] Vertrauensperson ist und bleibt immer noch Mammina; sie geniesst das Vertrauen auch unserer männlichen Abonnenten seit Jahren, sie ist auch allein verantwortlich für die Korrespondenz."

Der eher rigorose, ausschliessende Stil dieses Artikels und die elitäre Zielsetzung, beides nie typisch für Karl Meier / Rolf und schon gar nicht für Anna Vock / Mammina, deuten auf Eugen Laubacher / Charles Welti als Co-Autor und Mitdenker hin. Kultur-Zirkel und nicht politische Aktionszelle oder gar Biertisch-Atmosphäre, das entsprach seiner Persönlichkeit. Darin aber traf er sich sehr wohl mit den Ambitionen von Karl Meier, welche dieser sich bisher kaum so klar zu denken und zu formulieren erlaubt hatte.

Als Illustration des neuen Stils diente ein homoerotisches Gedicht aus der Sammlung "Gedichte des Episthenes", die der Zürcher Oprecht Verlag eben herausgebracht hatte, wie auch - auf zwei Nummern verteilt - ein Auszug aus dem romanhaften Kriegs-Bericht "Die sieben Säulen der Weisheit" von T. E. Lawrence (Lawrence of Arabia) mit der Episode "Daud und Farradsch" vom März 1918. Darin wird die Wüstendurchquerung des britischen Offiziers mit seinen beiden jugendlichen Begleitern auf feine, erotische Weise erzählt.

In Nummer 2/1940 erschien ein Ausschnitt aus Stefan Zweigs Roman "Verwirrung der Gefühle" und Karl Meier selber, als Gaston Dubois, steuerte eine spannende Erzählung bei, eine zeitnahe "Grenzgeschichte" aus dem Militärdienst mit dem Titel "Die Entscheidung".1

In diesen beiden Heften wurde auch ein theologischer Essay von Dr. Hans Hartmann, "Der Irrtum des Apostel Paulus", publiziert, worin neue Sichtweisen der bekannten paulinischen Verurteilung homosexuellen Verhaltens vorgestellt und diskutiert wurden.

Ganz neu begann die Rubrik "Das künstlerische Werk" mit regelmässigen Besprechungen und Ankündigungen einschlägiger Bücher, erstmals in 10/1940, später auch mit Beispielen der bildenden Kunst. Sie wurde fortgesetzt bis zum Ende des KREIS.

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Ernst Ostertag, August 2004

Quellenverweise
1

Menschenrecht, Nr. 3/1940 und 4/1940