1979

Zum Aktionstag

Berichterstattung zum 23. Juni 1979

Die hauptsächlich verantwortlichen Organisatoren dieses Tages waren Marcel Ulmann (SOH, Schweizerische Organisation der Homophilen) und Hannes Schüle mit Pius Köppel (HAB, Homosexuelle Arbeitsgruppen Bern), sowie Georges Pauchard (HAB) für das anschliessende Fest am Abend.

Dazu Beat Gerber in seiner Geschichte der HACH, "Lila ist die Farbe des Regenbogens…":1

"[...] Wichtigster Grund [...] war wohl der Demonstrationszug durch die Berner Innenstadt, an dem rund 300 Personen teilnahmen. Damit wurde die Zahl von 500'000 TeilnehmerInnen, wie sie im selben Jahr in den USA gezählt wurde, nicht ganz erreicht. Trotzdem wurde die Veranstaltung in den Schweizer Medien breit beachtet und zum Teil gar mit Fotos dokumentiert. [...]"

Im hey erschien ein Bericht über den CSD 79 von Jürg Wehrli unter einem Bild aus dem Demo-Umzug mit dem Transparent "Wir wollen uns nicht mehr verstecken müssen":2

"Bern als Spiegel der 'sanften' Unterdrückung

[...] Trotz anfänglichem Pessimismus kommen immerhin gegen dreihundert Leute zusammen. [...] Unsere Forderungen sind klar und wir werden keinen Punkt davon abweichen [...].

Von den Teilnehmern her gesehen darf die Veranstaltung als gelungen bezeichnet werden [...]. Ganz ohne Panne ging's auch diesmal nicht: Das für den Abend geplante Fest im Bürgerhaus musste kurzfristig abgesagt werden. Einem Altherrenabend wurde der Vorzug gegeben, da für die Reservation eine schriftliche Bestätigung fehlte.

Eine vergleichsweise sanfte Repression, aber um nichts weniger unfair [...]. Man behalf sich mit einem Treff auf dem Schänzli; kurze Darbietungen und Musik mochten nur wenig über die Enttäuschung weghelfen; man hatte uns wieder einmal genau da, wo man uns hinzustellen pflegt: ins Abseits, ins Dunkel.

Kernpunkt der diesjährigen Veranstaltung: das Homo-Register der Berner Polizei, laut deren Angaben nur straffällig gewordene Homos registriert seien. Doch bei der Befragung verwickelte sich die Polizei in Widersprüche. Es scheint wohl auch in Bern nur eine parlamentarische Intervention auf Gemeindeebene Licht in die Sache zu bringen.

[...] Erfreulich ist, dass auch die Welschen mit von der Partie waren; hoffentlich ist dies nächstes Jahr wieder der Fall.

[...] Für nächstes Jahr wird bereits wieder geplant; dass dabei eine Demonstration die gleiche Berechtigung haben wird, um die Öffentlichkeit auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen - wer wagt das zu bezweifeln?"

Die Berner Zeitung BZ berichtete unter dem Titel "Gegen das demütigende Versteckspiel":3

"[...] Manche Passanten waren sich nicht bewusst, in welchem Ausmass Schwule auch heute noch in der Gesetzgebung, in Schulen, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit diskriminiert werden, wenn sie zu ihrer Homosexualität stehen. Eine Passantin meinte: 'Es braucht Mut, dafür öffentlich zu demonstrieren.'

[...] Eine Sprecherin sagte am offenen Mikrofon: 'Der Zwang zur Heterosexualität geht alle an, nicht nur die Lesben. Die Frauen sollten endlich aufhören, sich als Dekoration für die Männerwelt zu verstehen, sich zu schminken bis zur Maskenhaftigkeit, sich in einengende Kleider und Stöckelschuhe zu zwängen, sich zu bewegen, wie es den Männern gefällt und sich die Ehe und das Kinderkriegen als einzig glückseligmachende Lebensform verkaufen zu lassen.'

Die Initiantin der Elternkontaktstelle, Irma Krieg, hatte sich ebenfalls am Mikrofon gemeldet. [...]"

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Ernst Ostertag, Juni 2007

Weiterführende Links intern

Elternkontaktstelle

Quellenverweise
1

Beat Gerber, Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot. Die Homosexuellen Arbeitsgruppen der Schweiz (HACH) von 1974-1995, Seite 110

2

hey, Nr. 9/1979, Seite 6 ff

3

Berner Zeitung BZ, 25. Juni 1979