Newsletter 33

September 2012

Diese Ausgabe enthält folgendes Thema: 

  • Ab 1932 hat die Schweiz eine Zeitschrift für Lesben und Schwule

    

Ab 1932 hat die Schweiz eine Zeitschrift für Lesben und Schwule

eos. Nach dem ersten Zusammenschluss von 1922 in Luzern (Newsletter 31) gab es bald nur noch eine Zürcher Gruppe. 1930 verschwand auch sie. Doch bereits im Sommer des nächsten Jahres gründeten die Frauen eine neue Vereinigung, den Damen-Club Amicitia.

Zwei Monate später (Oktober 1931) taten sich einige Männer zusammen und nannten ihre Verbindung Excentric-Club Zürich. Ein kleines Grüppchen von ihnen wollte auch politisch aktiv sein. Sie machten das unter Pseudonym gemeinsam mit den Frauen und sozusagen in deren Schutz. Denn Frauen konnten offen auftreten, weil die damaligen kantonalen Gesetze weibliche Homosexualität nicht erwähnten.

Im Januar 1932 starteten die Frauen mit einer Zeitschrift, der ersten in unserem Lande. Bald engagierten sich auch einige Männer an diesem Projekt. Das Heft hiess Freundschafts-Banner. Geld für Druck und gutes Papier war nicht vorhanden. Man tippte das Ganze auf der Schreibmaschine und hektographierte die kleine Auflage. Alle zwei Wochen sollte ein neues Heft erscheinen und an die wenigen Abonnenten verschickt werden. Die zweite Nummer berichtete vom grossen "Berchtoldsball" (2. Januar 1932), an dem Frauen und Männer gemeinsam getanzt hatten und sich riesig freuten, als die erste Ausgabe der neuen Zeitschrift während des Balls verteilt wurde: "Eine eigene Zeitung - die Zeitung, die uns seit Jahren gefehlt hat" und ab nun "ein Lichtstrahl" im Leben sei.

Aus diesem "Lichtstrahl" entstanden alle späteren Zeitschriften: Das Schweizerische Freundschafts-Banner (1933-1936), das Menschenrecht (1937-1942), Der Kreis Le Cercle The Circle (1943-1967) und die vielen Nachfolge-Blätter und Magazine bis heute.

Die Zeit damals, vor 80 Jahren, war unsicher und schwierig. Es herrschte Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit. Nach Gesetz war jede sexuelle Handlung unter Männern verboten und wurde je nach Kanton anders bestraft. In Italien herrschte der Faschismus seit zwölf Jahren. In Deutschland standen Hitlers Nationalsozialisten vor der Machtergreifung. Ihre Sympathisanten in der Schweiz waren stark und wurden zunehmend lauter. Homophobie war allgegenwärtig. Das politische Ringen um das erste gesamt-eidgenössische Strafgesetzbuch war abgeschlossen und stand vor Referendum und Volksabstimmung. Die Freigabe homosexueller Akte ab zwanzigstem Lebensjahr gehörte zwar zu den Neuerungen des StGB. Sie kam jedoch nur hinein mit der Begründung, dieses unschickliche Thema sei jetzt erledigt, die Betroffenen hätten bekommen, was sie wollten, also bestehe für sie keinerlei Grund mehr, die Öffentlichkeit zu belästigen. Der Druck auf diese "Betroffenen" war enorm, wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch.

Es gab nur eine Handvoll mutiger, überzeugter Frauen und Männer, die für ihr gleichberechtigtes Dasein zu kämpfen bereit waren. Und es gab die vielen Homosexuellen, die es rein unter ihresgleichen einfach etwas gemütlich haben wollten bei Musik, Tanz und Bekanntschaften-schliessen.

Nur Tanz und Trallala geniessen, das ging aber nicht ohne die wenigen, die sich exponierten und die Organisation übernahmen. Daran scheiterte der Excentric-Club Ende 1932. Es siegten jene Leute, die sich unterhalten wollten, "ohne Weiber". Sie gründeten ihren Sonderverein und nannten ihn Freundschaftsbund Zürich (FBZ). Doch nach wenigen Monaten war auch er am Ende.

Und das geschah fast gleichzeitig mit dem Neuanfang der Zeitschrift, die sich nun (April 1933) Schweizerisches Freundschafts-Banner nannte. Auch die Vereinigung von 1931 (Damen-Club Amicitia) wurde verändert und hiess jetzt Amicitia, Schweizerischer Freundschafts-Verband (SFV). Frauen und Männer konnten Mitglieder des SFV sein.

Erstaunlich und von grosser Bedeutung ist die Tatsache, dass dieser alle schweizerischen Homosexuellen umfassende Verband mit eigener Zeitschrift zum selben Zeitpunkt entstand, als in Deutschland sämtliche Organisationen, Zeitschriften, Bibliotheken und Treffpunkte geschlossen und zerstört wurden. Die Hitler-Diktatur löschte die ganze bis dahin blühende Homosexuellen-Bewegung aus - und zwar bereits in den ersten Monaten nach der Machtergreifung vom 30. Januar 1933.

Mehr dazu in

Schweizerisches Freundschafts-Banner (FB)
Amicitia, Schweizerischer Freundschafts-Verband