1968-1983

Aufbruch

Am 10. Dezember 1967 gründete eine Gruppe von meist jüngeren Kreis-Abonnenten eine neue Zeitschrift mit Namen Club68. Zugleich schuf dieselbe Gruppe den national gedachten Verein Club 68, der sich ab April 1971 SOH (Schweizerische Organisation der Homophilen) nannte.

Club68 existierte bis Ende 1971. Ein Teil des Redaktionsteams brachte im Februar 1972 die neue Zeitschrift hey hervor, die bis Ende 1984 das Organ der SOH blieb. Im Dezember 1994 löste sich die SOH auf mit dem Wunsch an jedes Mitglied, sich der neuen nationalen Dachorganisation Pink Cross anzuschliessen.

1968 begannen in Westeuropa Studentenunruhen, die zu weitgehenden gesellschaftlichen Veränderungen führten. In Zürich revoltierte die "autonome Jugend" und forderte die Polizei, sodass diese praktisch keine Kräfte mehr gegen die Homosexuellen einsetzen konnte.

Nun fühlten sich die Homosexuellen befreit (mit grosser Wut im Bauch) und begannen sich neu zu organisieren: selbstbewusst, revolutionär, die Öffentlichkeit nicht mehr scheuend. Man wollte die Unterdrückung auf breiter Basis beseitigen und wählte offensive Strategien, die von Modellen der Studentenbewegung in Deutschland und Frankreich inspiriert waren.

1971 eröffneten Studenten der beiden Hochschulen Zürichs ein schwul-lesbisches Zentrum, dem sie den Namen Zabriskie Point gaben (nach einem Kultfilm der Zeit).

1972 gelang es, das neueste Werk des jungen deutschen Filmemachers Rosa von Praunheim nach Zürich zu holen: "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt". Darauf gründeten sich am 22. März die HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich). Mitglieder der HAZ organisierten im Juni 1972 eine analoge Filmvorstellung unter schwul-lesbischen Studierenden in Basel und Bern, was in Basel die Entstehung der HABS (30. Juni) bewirkte und in Bern jene der HAB (6. Dezember).

In den kommenden Jahren wurden weitere ähnliche HA-Gruppierungen in anderen Städten, unter anderem in St.Gallen und Luzern, ins Leben gerufen und im Dezember 1974 gaben sich alle einen nationalen Dachverband: HACH (Homosexuelle Arbeitsgruppen der Schweiz), welcher 1995 in Pink Cross überging.

Bereits 1973 war die Loge 70 für Ledermänner entstanden. Sie spielte später in der Aids-Krise eine besondere Rolle.

1978 war es so weit: Man konnte öffentlich auftreten und Forderungen präsentieren, denn die Gruppen spannten zusammen. Das zeigte sich in Ansätzen bei der sofort zum Ereignis gewordenen Telearena des Schweizer Fernsehens vom 12. April, einer Diskussionssendung zum Thema Homosexualität.

Am 24. Juni 1978 gab es in Zürich einen ersten CSD (Christopher Street Day) mit Demonstration. Geplant und durchgeführt wurde er von HAZ, SOH und HFG (Homosexuelle Frauengruppe) mit dem Zweck, Unterschriften für die Abschaffung der polizeilichen Homo-Register zu sammeln. Es trugen sich fast 5500 Personen ein, womit man an die Presse und das städtische Parlament gelangte und die Vernichtung der Kartei per 1. Februar 1979 erzwang.

Nun gingen auch die Berner und später die Basler in ähnlicher Weise vor. Mit der HFG traten erstmals seit 1941 wieder Frauen und Männer gemeinsam auf.

In der Folge kam es jährlich zu CSD-Demonstrationen:

1979 in Bern, wo die Stadt das Register aufhob, die Kantonspolizei aber heimlich volle elf Jahre lang weiter fichierte. In Basel dagegen wurden die Register schon vor dem CSD 1980 gelöscht. Spätere wichtige CSDs mit anderen Zielsetzungen fanden 1981 in Lausanne und 1983 in Luzern statt.

1982 wurde in Genf die noch heute bestehende Organisation Dialogai gegründet.

Im selben Jahr entstand auch die Gruppierung HuK, Homosexuelle und Kirche, zunächst in Bern, dann auch in Zürich und Basel. Der daraus entstandene Verein HuK-Schweiz löste sich 1999 auf.

1983 formierten sich Lehrpersonen aller Schulstufen zur Vereinigung homosexueller Erzieher/innen und Lehrer/innen der Schweiz, VHELS. 1997 ging VHELS in Pink Cross über, wo die Arbeitsgruppen "Jeunesse et école" (Jugend und Schule) und "GLL, Gay and Lesbian Love, das andere Schulprojekt", entstanden.

Mit HuK und VHELS sind auch Religion und Erziehung, jene Bereiche also, die in der abendländischen Kultur traditionsgemäss homosexuelle Menschen vehement ablehnen und alles Homosexuelle ausgrenzen, in die allgemeine Schwulen- und Lesbenbewegung einbezogen worden. Heute sind positive Veränderungen im Bildungswesen und bei den Kirchen erst teilweise oder nur in Ansätzen verwirklicht. Es bleibt noch sehr viel zu tun.

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Ernst Ostertag, August 2007